auf gute nachbarschaft von SUSANNE FISCHER
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Bis vor kurzem wohnten wir zwar in ländlicher Umgebung, aber eigentlich an einer Hauptstraße, auf der zu viele Lastwagen verkehrten, die zu viele Katzen überfuhren und dabei viel zu schnell waren. Da mussten wir weg, das war klar. Auch die nächtlichen Erschütterungen des Bettes waren nicht auf Belebung der Libido durch gute Landluft zurückzuführen, sondern auf durchreisende Panzerkolonnen. Nur Insekten gab es so viel wie im Kuhstall.

So tauschten wir das Hauptdorf gegen einen Ortsteil, was von den überzeugten Dorfkernbewohnern mit entsetzten Blicken quittiert wurde: „Was? Ihr wollt wegziehen?“ Wobei „weg“ sechshundert Meter hinter der Dorfgrenze beginnt, aber ein bisschen weg ist eben auch schon weg. „Ihr wollt nach S. ziehen? Aber da sind die Leute doch so komisch.“ Muss ich erwähnen, dass man uns in S. fragt, wieso wir es um Gottes willen so lange in H. haben aushalten können, wo doch die Leute da so, ich will ja nichts sagen, aber irgendwie so, na eben komisch sind? Hinter unserem Rücken werden wohl nun wieder Annäherungen stattfinden, bei denen sich die Leute aus S. und H. darüber einig werden, dass wir so komisch sind.

Sind wir ja auch. Wir besuchen unseren Nachbarn auf seinem Hof, weil unser Sohn den Kühen „Hallo“ sagen möchte. „Hallo, Kühe!“, sagt er, ein wenig ängstlich. „Wir haben ein ganz neues Kalb“, sagt der Bauer. „Guck mal, so klein ist das“, sage ich. Ich sage nämlich auch manchmal ganz gern was. „Gar nicht“, widerspricht der Nachbar, der nicht weiß, was gut für ihn ist, „es ist eher groß.“ – „Naja“, sage ich zu meinem Sohn, „es ist das Baby von der Kuh, weißt du, also ist es eher klein.“ – „Es ist wirklich ungewöhnlich groß“, weiß es der Nachbar besser, „schließlich ist es erst ein paar Stunden alt.“

„Und, war der Tierarzt da?“, wechsele ich das Thema, „oder macht ihr das selbst?“ – “Bei uns machen das die Kühe selbst“, grinst der Nachbar, der es heute wirklich außergewöhnlich genau nimmt, „eigentlich haben sie das schon immer selbst gemacht.“ – „Welches ist der Bulle?“, frage ich, weil es höflich ist, auch mal was zu fragen. Der Nachbar verdreht die Augen. Da sehe ich auch schon, warum. „Ach ja“, sage ich beeindruckt von den, äh, Tatsachen des Lebens, „dem möchte ich aber, äh, nicht alleine begegnen.“ Der Nachbar hat Gott sei Dank bei seiner Landwirtsausbildung die Vorlesung „Fehlleistungen von Kühen und Nachbarinnen“ nicht besucht und sagt deshalb nur: „Ach nein, der ist eigentlich ganz lieb.“ – „Guck mal, das ist die Fräse“, ich versuche, von meiner Schlappe abzulenken, aber mein Sohn ist nur mäßig interessiert: „Wo isser Radlader?“ – „Das ist der Mäher“, widerspricht Nachbar Bauer. „Guck mal, das ist ein Mäher“, belehre ich besserwisserisch meinen Sohn, „ist das nicht toll interessant?“ Der Sohn bohrt vor Begeisterung seine Schuhspitzen in den Boden. „Die haben hier keinen Radlader“, näsel ich so arrogant, wie es möglich ist, wenn man sich gerade eine weiße Hose mit Stalldreck versaut hat und selbst keinen Radlader hat. Und die Leute aus S., was soll ich sagen, irgendwie sind sie komisch.