Aufstieg zum Mentor

Der Edelrapper Guru arbeitet weiter an der Zusammenführung schwarzer Musikgeschichte. Jüngere R & B-Stars wie Kelis sollen auf seiner neuen CD „Streetsoul“ für die nötige Glaubwürdigkeit sorgen

von HOLGER IN’T VELD

Manchmal ist Keith Elam nicht HipHop. HipHop ist nicht pünktlich, nicht höflich und auch nicht verständlich. HipHop behauptet seine eigene Wahrheit und beendet seine HipHop-immanenten Redundanzen stets mit einem „you know what I mean“. Elam dagegen ist nachdenklich und oft in der Lage, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen.

Manchmal ist Keith Elam sehr HipHop. Das zeigt sich in der voluminösen Lautstärke seiner Stimme, einem überdimensionalen Selbstbewusstsein und dem entsprechenden Künstlernamen. Nur Rapper nennen sich „Ladies Love Cool James“, „Terminator X“ oder eben „Gifted Unlimited Rhymes Universal“, kurz GURU.

Vor kurzem hielt Guru Hof und empfing Journalisten im New Yorker Büro seiner Plattenfirma. Der Grund war die dritte Auflage von Jazzmatazz, seinem groß angelegten Versuch, die schwarze Musikgeschichte über HipHop zu vereinen. Diesmal, da ist er sich sicher, bekommt er zum Respekt auch endlich den ersehnten Erfolg: „Ich bin da, wo ich hinwollte. Ich dachte nur nicht, dass ich so viel Gepäck dabeihätte.“ Die Rede ist von acht Alben, fünf davon mit Gang Starr, seiner seit zwölf Jahren aktiven Verbindung mit DJ Premiers spartanischer Produktionskunst und für viele Kritiker die Krönung dessen, was mit Sprechgesang und zwei Plattenspielern möglich ist. In Edelmetall hat sich dies jedoch nie ausgezahlt. Die Gründe, warum der allgemein anerkannte Stilist nie im warmen HipHop-Goldregen stand, sind vielfältig. Seine Herkunft, das akademische Elternhaus und der universitäre Werdegang, gehört gewiss dazu. „Ich habe einen intellektuellen Background“, entschuldigt er sich beinahe, „aber ich war auch sehr rebellisch und habe viel Scheiße gebaut.“

Mit Gang Starr hat Guru die Straße gesucht und sich textlich wie musikalisch männlich-härter präsentiert als die ihm nahe stehenden Vertreter der Native-Tongues-Bewegung wie A Tribe Called Quest, Jungle Brothers und De La Soul. Dass das Ergebnis trotzdem nie als hartkernige Straßenmusik anerkannt wurde, sondern den Kritikerstempel „Jazz-Rap“ bekam, war angesichts der langjährigen Dominanz des Gangsta-Raps fast ein Todesstoß: Jazz, die Bildungsbürgermusik, Jazz, das Gegenteil von juvenilem Aufbegehren.

Das i-Tüpfelchen setzte Guru selbst mit seinem 1992 geborenen Projekt Jazzmatazz. Da machte er Ernst und holte die Interpreten jener Platten, die er zuvor nur gesampelt hatte, leibhaftig zum Zusammenspiel: Donald Byrd, Freddie Hubbard, Lonnie Liston Smith und Roy Ayers. Die Folge: Einladungen auf Jazzfestivals, Artikel im Feuilleton und eine weitgehend abgeschreckte HipHop-Jugend.

Doch jetzt, mit dem dritten Album, ist alles anders: Jetzt wird Jazzmatazz, das zeitlose Projekt, wohl nicht wieder neben den Impulse-Wiederveröffentlichungen, sondern gleich im aktuellen Hitsortiment einsortiert. Statt die HipHop-Kids durch Gäste aus der Plattensammlung ihrer Eltern zu verschrecken, hat Guru für seine aktuelle Starparade in die aktuellen Charts geguckt.

Wieder beschwört Guru im Intro die Einheit aus R & B, Soul, Jazz und HipHop – doch jetzt, fünf Jahre nach dem letzten Versuch, wird ihn der Markt verstehen. „In den USA ist das längst eins. HipHop ist nicht mehr beschränkt auf Sneaker – die Leute haben andere Realitäten mit Champagner und Platinschmuck, und sie erzählen davon. Hier ist alles, was R & B genannt wird, HipHop. Und das ist meine Heimat.“

Macy Gray, Kelis, Angie Stone, Erykah Badu – das sind die Namen, von denen Guru glaubt, dass sie seine Leute wollen, und für das Publikum in Übersee gibt es mit Craig David noch einen Protagonisten der aktuellen europäischen Charts dazu. Entsprechend dem Alter seiner Gäste hat Guru nun eine neue Rolle inne – die des Mentors. „Diesmal“, sagt er, „war ich der Pionier, der die neuen Talente einlädt. Ohne zu eingebildet zu klingen: Ich habe den Grundstein gelegt für die meisten dieser Leute.“

„Streetsoul“ (Virgin) heißt das Ganze, denn die (HipHop-)Straße darf auf keinen Fall zu kurz kommen. Dabei zeigt sich Guru voll in seinem wandlungsfähigen Element und passt sich an jede seiner DuettpartnerInnen vollkommen an, rappt mit Kelis über Female Empowerment, umgarnt Erykah Badu und betont mit den Roots seine Straßenkämpfer-Attitüde. „Es sind die Sachen, über die ich immer spreche: Kunst, Politik, Black Power und soziale Verbesserungen“, begründet er dieses breite Spektrum. Die Essenz, den wahren Guru gibt es jedoch nicht mit den jungen Hüpfern, sondern in den beiden Reminiszenzen an sein Alter und die Jazzmatazz-Vergangenheit zu hören. Auch wenn er die Nase im Wind hält: Den Rücken hält er sich, mit Herbie Hancock und Isaac Hayes, geschichtsbewusst bedeckt. „Das Konzept mit Isaac war, die Parallelen zwischen unseren Stimmen herauszustellen, trotz des Generationsunterschieds.“ Night Vision heißt das, und hier klappt die Symbiose perfekt: Gemeinsam brummen die sonoren Reibeisen über Frauen und ihre machistische Shaft-Coolness. „Das ist so, wie ich wirklich lebe“, sagt Guru. „Wenn wir jetzt zusammen losgehen würden, dann wäre das genau so.“ Das Ego ist gefüttert.

Nach diesem Opus Magnum, da ist sich Guru sicher, steht ihm die Welt offen. Nächstes Mal wird Lenny Kravitz dabei sein und endlich auch Sade, die er seit Jahren umwirbt. Musikalisch ist alles möglich: Latin-, Afro- oder Bluesmatazz. Denn: „HipHop ist das alles und noch viel mehr. Deswegen bin ich auch stolz, ein Teil davon zu sein.“