Nachahmer schändeten Friedhof

Davidstern an jüdischem Friedhof in Potsdam beschmiert. Experten: Medienberichte ziehen Nachahmetäter an. Kritik an Spiegel wegen Äußerungen zu Düsseldorfer Anschlag auf Synagoge. Noch keine Ermittlungsergebnisse zu Brandanschlag

von MARCUS MEIER
und ANNETTE ROGALLA

Ihre Feindschaft gegen Juden ist fünfzehn Zentimeter groß. Die Polizei hat nachgemessen. Einen Galgen haben Unbekannte über den Davidstern beim Eingang des jüdischen Friedhofs von Potsdam gepinselt. Entdeckt wurde die Schmiererei in der Nacht zu Donnerstag von einer Polizeistreife. Wann der Friedhof geschändet wurde, vermag die Polizei nicht zu sagen.

Für Julius Schoeps, den Leiter des Mendelssohn Zentrums in Potsdam, steht fest: „Initiiert wurde die Schändung durch die Debatte um den Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge.“ Sobald in den Medien über Antisemitismus debattiert werde, stiegen auch die Zahlen der Attacken. Der Historiker sagt, die Tat und die Reaktion darauf seinen in ausgesprochener Symbolik miteinander verbunden. Schoeps überrascht die neuerliche Attacke nicht.

Ihn irritiert vielmehr der derzeitige Ton der Debatte um die Anschläge. Schoeps hält es für „fahrlässig“, wenn der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, laut überlegt, wie lange Juden in Deutschland noch leben können. Damit bringe Spiegel die Juden in die Rolle von hilflosen Opfern. Spiegels Aussage sei „zwar aus der Erregung heraus verständlich“. Aber: „Der Präsidident hat ein politisches Amt und muss politisch argumentieren; er darf nicht seinen Gefühlen folgen.“ Schoeps fordert mehr Schutz vom Staat. Bisher habe er „die Gefahrenlage für die jüdischen Einrichtungen nicht richtig eingeschätzt“.

Mittlerweile hat Paul Spiegel, der auch scharfe Kritik von der Jüdischen Gemeinde Berlin erfuhr, seine Äußerungen relativiert. Er sei verkürzt zitiert worden. Er spreche sich sehr für Zuwanderung von Juden nach Deutschland aus. Doch ob die derzeit über 80.000 Gemeindemitglieder hier eine Zukunft fänden, hänge mehr von der nichtjüdischen als von der jüdischen Bevölkerung ab, sagte er.

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) sieht nach dem Brandanschlag von Düsseldorf Parallelen zur RAF. Wie die linke Terrororganisation seinerzeit gefährdeten sie heute die Belange der Bundesrepublik, sagte Däubler-Gmelin im Rundfunk.

Vier Tage nach dem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge tappen die Ermittler noch im Dunkeln. Die Ermittlungen hätten noch keine Erkenntnisse ergeben, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Derweil wurde die Bewachung an allen jüdischen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen verstärkt. Der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Esra Cohn, hatte der Polizei zuvor einen mangelnden Schutz der Synagoge vorgeworfen.

Für die FDP ist es „völlig unverständlich, weshalb die Kölner Synagoge durch eine Videoüberwachung geschützt wird, die das gesamte Umfeld des Gotteshauses überwacht, während dies in Düsseldorf nicht der Fall ist“, sagte der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Horst Engel.

Vor zwei Wochen habe die Düsseldorfer Gemeinde um eine verstärkte Überwachung gebeten, die ihr jedoch seitens der Polizei verweigert worden sei. „Düsseldorfs Polizeipräsident Michael Dybowski sieht alt aus“, sagte Engel. Innenminister Fritz Behrens müsse auf einer Sondersitzung des Landtagsinnenausschusses schnellstmöglich Rede und Antwort stehen

Esra Cohn bestätigte gegenüber der taz, dass er vor dem Anschlag eine verstärkte Polizeipräsenz erbeten hatte. „Die Polizei sagte, dass sie verstärkt ein Auge auf die Gemeinde geworfen hätte, aber wir haben davon nichts bemerkt.“ Nun mache er der Polizei indes keine Vorwürfe mehr. „Wir hatten ein klärendes Gespräch, in dem Missverständnisse beseitigt wurden.“