Keiner für Milošević

Gebannt verfolgen die Serben Berlins den Umsturz in ihrer Heimat – alle sind unsicher, wie es mit Serbien weitergeht

In dem Rudower Balkanrestaurant stößt man auf Ablehnung wie auf eine Mauer. „Wir gucken das gar nicht, uns interessiert nur die Arbeit“, blockt Inhaber Dusan Sandara ab. „Der Alte hatte wohl keine Chance mehr“, sagt er weiter, man muss nun „abwarten“, was die Zukunft bringen wird. Auf dem Tisch vor ihm liegen Zeitungen aus Belgrad. Doch Neues berichten die auch nicht, meint Sandara. Abwarten, rät er, „in 14 Tagen weiß man mehr“.

Wie reagieren die Serben Berlins auf den offensichtlichen Sturz von Serbiens Diktator Slobodan Milošević? So verschlossen wie in dem Rudower Restaurant sind nicht alle Südslawen. Klar ist, die Situation in Belgrad wird von den meisten mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Und eine Tendenz lässt sich erkennen: Der Glaube an ein gutes Ende der Ereignisse wächst. Man setzt große Hoffnungen in die Kräfte der Opposition.

Trotzdem bleiben die Kommentare und Ansichten vielfältig. Von „Es läuft alles bestens“, über „Die Situation ist noch unklar“, bis zu „Politik interessiert mich nicht“ bekommt man alles zu hören. Nur Milošević erfährt keine Unterstützung. Ob er an der Macht bleibt? Konsens ist die Ansicht, dass man den Diktator nicht unterschätzen dürfe.

Viele Serben scheinen wie elektrisiert angesichts des Showdowns in ihrer Heimat. In einem serbischen Restaurant in Wilmersdorf verbrachte eine Hand voll serbischer Gäste die ganze Nacht vor dem Fernseher. Um 1 Uhr in der Nacht riefen Freunde aus Belgrad an, um direkt von den Geschehnissen zu berichten. „Sie freuten sich, es geschafft zu haben“, meint der sehr euphorisch gestimmte Besitzer Vukoje Jevtic. Die Entwicklung in Belgrad sei sehr positiv.

Seiner Einschätzung nach sind in Berlin 90 bis 100 Prozent der serbischen Mitbürger gegen Milošević. „Hoffentlich ist der schon im Irak“, scherzt einer. Trotzdem herrscht bei vielen auch noch eine leichte Angst. Ein junger Gitarrist aus Serbien packt die Anlage für das Konzert vom Vorabend zusammen. Er spricht kein Deutsch, stellt aber eines auf Englisch ganz klar: Die Entwicklung sei gut, doch Vorsicht geboten.

Von der Opposition erwartet man einiges: „Koštunica ist der richtige Mann“, meint ein Gast in Wilmersdorf. Und einige blicken schon etwas weiter in die Zukunft: Sie hoffen auf Unterstützung von Seiten der EU – in finanzieller und moralischer Hinsicht. „Unseren Leuten dort geht es noch sehr schlecht“, meint ein jüngerer Serbe. Erst wenn die Sanktionen aufgehoben würden, käme „dort unten das Leben hin“.

JÖRG STREICHERT/OLIVER VOSS