Nur nicht hängen lassen

Wer seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, verliert den Anschluss. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann helfen, finanzielle Schieflagen zu mindern. Aber nicht jeder kann sich versichern

Verbraucherschützer raten: Den Vertragnur im Beisein von Zeugen abschließen

Da war einer Klassenbester, hat die Uni in Rekordzeit abgeschlossen, sofort einen Traumjob gefunden, ist die Karriereleiter nach oben gepurzelt. Und dann: Ein dummer Badeunfall und hinein in den Rollstuhl. Aus der Traum von Karriere.

Jeder vierte Arbeitnehmer in Deutschland scheidet vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus – wegen Berufsunfähigkeit. Neben dem Verlust des Arbeitsumfelds, mithin des gewohnten Alltags, bedeutet das mitunter Existenz bedrohende Einschnitte. Wer seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, verliert in mehr als einer Hinsicht den Anschluss. Denn: Die gesetzlichen Leistungen sind unzureichend. Gerade 26 Prozent des letzten Bruttogehalts zahlt die gesetzliche Rentenversicherung im Schnitt bei Berufsinvalidität. In Zukunft könnte es sogar noch weniger werden. Vielverdiener trifft es ohnehin hart: Die maximale Leistung liegt derzeit bei 2.232 Mark.

Dieses Szenario schreit förmlich nach privatem Zusatzschutz. Das Zauberwort heißt Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Gerade wer gut verdient, möchte schließlich auf das Erreichte nicht verzichten. Von diesem Umstand und den zur Zeit heftig diskutierten Kürzungen des gesetzlichen Versicherungsschutzes profitiert die Versicherungsbranche. Knapp 130 verschiedene Angebote stehen dem Versicherungswilligen derzeit zur Verfügung. Die Palette ist breit gestreut, das teuerste Angebot nicht unbedingt das Beste – das billigste schon gar nicht.

Nicht jeder kann sich gegen Berufsunfähigkeit versichern. Künstler etwa oder Angehörige besonders gefährlicher Berufe haben kaum eine Chance, in normale Verträge aufgenommen zu werden; auch „Normalberufler“ mit Vorerkrankungen tun sich schwer. Strenge Gesundheitsprüfungen stellen schon für Allergiker, Rückenleidende oder Menschen, die eine Psychotherapie hinter sich haben, hohe Hürden auf. Die können sich zwar versichern, zahlen aber hohe Zusatzprämien. Ist der Abschluss einer BU unmöglich, kann man sich zumindest mit einer Unfallversicherung schützen. Dafür gibt es bislang keine Gesundheitsprüfung. Von Vorteil ist, dass hier im Gegensatz zur BU, die erst ab einer Einschränkung von 25 Prozent der Arbeitskraft zahlt, auch schon bei Verlust etwa des kleinen Fingers geleistet wird.

Wer sich zu einer BU entschließt, sollte zunächst genau ermitteln, welche Versorgungslücke er schließen muss, wenn es hart auf hart kommt. Der billigste Vertrag nützt nichts, wenn im Schadensfall zu wenig gezahlt wird. Oft ist die BU eine Zusatzversicherung zur Kapital- oder Risikolebensversicherung. Experten empfehlen die Kombination von BU und Risikolebensversicherung, was mitunter sogar günstiger sein kann als ein Einzelvertrag. Beim vermeintlichen Mehrpreis solcher Arrangements ist zu berücksichtigen, dass im Fall einer Berufsunfähigkeit die Beitragszahlung für die jeweiligen Hauptverträge ruht, das Todesfallrisiko oder die Altersvorsorge aber abgesichert bleiben. Bei der Einzelversicherung gegen Berufsunfähigkeit mit separater Vorsorge – zum Beispiel einer Fondsanlage – müssen die Einzahlungen für den Fonds weiterhin geleistet werden. Die Berufsinvalidenrente sollte also entsprechend höher kalkuliert werden. Einige Gesellschaften bieten dynamische Verträge an. Man steigt jung und vor allem gesund – also schon als Schüler, Auszubildender, Student oder Berufsanfänger – mit einer niedrigen Summe ein und hat später ohne erneute Gesundheitsprüfung die Möglichkeit, die Beiträge zu erhöhen.

Tritt die Berufsunfähigkeit dann ein – muss der Versicherer also leisten –, so gab es in der Vergangenheit immer wieder Probleme. Zunächst versuchen viele Gesellschaften, um die Rente nicht zahlen zu müssen, auf andere Berufe zu verweisen, in denen man trotz eingeschränkter beruflicher Leistungsfähigkeit gerade noch arbeiten könne. Dabei hat Pech, wer nicht oder gering qualifiziert ist. Denn dort sind die Verweisungsmöglichkeiten naturgemäß am größten. Allerdings verzichtet heute schon fast ein Fünftel aller Versicherungsgesellschaften auf diese Verweisungsklausel.

Fast die Hälfte aller Versicherer leistet bereits für einen verkürzten Prognosezeitraum von sechs Monaten. Das heißt: Wenn vom Arzt für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten eine Erwerbsunfähigkeit von wenigstens 50 Prozent festgestellt wird, gibts Geld. Solange die Prüfung der Leistungspflicht dauert, stunden über 90 Prozent aller Gesellschaften den Beitrag. Einige Versicherer behalten sich vor, jährlich den Gesundheitszustand des Versicherten zu prüfen, mit dem Ziel bei Besserung die Zahlungen einzustellen. Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass man nach drei Jahren krankheitsbedingter Pause einfach wieder in seinen alten Beruf einsteigen kann.

Oft entsteht Berufsunfähigkeit nicht von heute auf morgen, sondern schleichend. So kann eine akute Erkrankung beispielsweise auch nicht vorhersehbare Schäden nach sich ziehen, die letztlich zur Berufsunfähigkeit führen. Deshalb ist es wichtig, dass die Gesellschaft auch rückwirkend und bei verspätet angemeldeter Berufsunfähigkeit zahlt.

Immer wieder ist es zu Prozessen gekommen, wenn die Versicherer sich weigerten, im Leistungsfall zu zahlen. Dabei ging es neben der inzwischen zunehmend eingeschränkten Verweisungspraxis auch um falsche Angaben beim Versicherungsabschluss. Mitunter legen nämlich sogar die Vermittler solcher Verträge dem Kunden nahe, heikle Fragen zu seinen Gunsten zu beantworten, da die Gesellschaft sich angeblich dafür ohnehin nicht interessiere. Der Gesundheitszustand des Antragstellers soll also geschönt werden, denn der Vermittler erhält seine Provision nur auf wirklich zustande gekommene Verträge. Verbraucherschützer empfehlen daher, nicht nur das Antragsformular nach bestem Wissen ehrlich auszufüllen und gut aufzuheben, sondern unbedingt einen Zeugen zum Abschluss hinzu zu ziehen. KATHARINA JABRANE/ALO