herr hefele kriegt eine runde
: ALBERT HEFELE und seine essenzielle Frage

Sind rennende Autos Sport?

Ist Autofahren Sport? Ist es Sport, einen nicht mit der eigenen Körperkraft angetriebenen Kasten nur per Pedaldruck zu bewegen? Befürworter führen ins Feld, der Fahrer müsse enorme Fliehkräfte aushalten und eine immense Konzentrationsleistung vollbringen. Müsse also körperlich voll auf der Höhe sein. Gegner sagen, wenn der Kasten gut läuft, besser läuft als alle anderen Kästen, dann könne auch ein durchschnittlicher Fahrer, im Extremfall ein Rentner, Rennen gewinnen. Leicht übertrieben vielleicht, die Botschaft ist aber eindeutig: Wenn der Geräteanteil, die Qualität des Gerätes, eine zu große Rolle hinsichtlich Sieg oder Niederlage spielt, kann man nicht mehr von Sport reden.

Stimmt das? Ist dann Bobfahren Sport? Radfahren? Rudern? Ist es trotz eines hohen Gerätefaktors doch Sport, wenn der Anteil körperliche Fitness entscheidet? Sehr hoch ist? Wie hoch? Beim Schießen? Beim Golf? Oder gar Schach. Ist es auf jeden Fall Sport, wenn man bei den Olympischen Spielen mittun darf? Dann ist Rugby, bzw. American Football kein Sport. Zu speziell englisch/amerikanisch? Zu brutal? Und Baseball? Und Boxen?

Ist das alles zu kompliziert gedacht und Sport findet einfach immer dann statt, wenn sich verschiedene Kontrahenten darin messen, wer irgendwas besser beherrscht?

Dann kann im Prinzip das Betreiben einer Würstelbude ebenso Sport sein wie Haare schneiden oder Hemden bügeln. Ist also alles Sport, wenn man das Wettkampfprinzip zu Grunde legt? Nur Autofahren nicht, weil man dabei zu Tode kommen kann bzw. mörderisch viele fossile Brennstoffe durch den Auspuff jagt, für nichts und wieder nichts! Skifahrer verbrennen zwar nichts, die Chancen, sich den Hals zu brechen, sind aber deutlich besser als für jeden Rennfahrer. Es geht natürlich – aus aktuellem Anlass – um Formel 1. Und das Für und Wider ist nicht ganz einfach zu klären.

Formel 1 polarisiert. Und es stürzt die Menschen in Identitätskrisen. Mich zum Beispiel. Vor einigen Jahren war ich ein vehementer Angehöriger der „Wer Formel 1 guckt, ist völlig bescheuert“-Fraktion. Nicht etwa aus Gründen politischer Korrektheit. Wenn es darum ginge, dürfte man sich genau genommen sowieso keinen Sport mehr angucken. Nein, ich bin erstens weder ein begeisterter Autofahrer noch ein Fan schneller oder angeblich schöner Automobile.

Maschinen interessieren mich nicht. Mithin war Formel 1 für mich immer eine äußerst langweilige Geschichte. Was für Leute, die sich nächtelang darüber unterhalten können, ob VW Golf oder Opel getunt oder so und lackiert werden sollten und ob man sich unbedingt Sicherheitsgurte, die aussehen wie Hosenträger, zulegen müsse. Leute, die am hellichten Tag und ohne Not mit Ferrari-Mützen umherrennen. Leute wie Niki Lauda, der ja eigentlich die Schnauze voll haben sollte und der sich trotzdem mit seinem angeschmorten Schädelchen immer noch inmitten des Formel 1-Zirkus bewegt und die Faszination des ewigen Im-Kreise-Fahrens lobt.

Weder mit ihm noch mit anderen tragischen Opfern des Rennsportes hatte ich ein Fünkchen Mitleid. Im Gegenteil: „Geschieht ihnen recht, was vergeuden sie auch ihre Zeit mit diesem Blödsinn.“

Nun ist folgendes passiert: Ich gucke seit circa zwei Jahren immer regelmäßiger Formel 1, obwohl mir Autofahren und Automobile immer noch nichts bedeuten. Es interessiert mich trotzdem. Ich will wissen, wer gewinnt. Warum? Weil ich einen Fiat fahre? Wohl kaum. Die Schumachers und damit der Nationalismusfaktor spielen mit Sicherheit eine große Rolle (ich habe mich vor Boris Becker auch nur am Rande für Tennis interessiert). Sonst repräsentieren dieser Sport und die aufgeblasene RTL-Berichterstattung einiges, das ich aus tiefster Seele verachte. Ich hänge trotzdem am Haken. Ich habe mir ein Computer-Rennspiel gekauft. Warum ist das so? Geht es euch auch so? Schreibt. Helft.

Autorenhinweis:Albert Hefele, 48, Ergotherapeut, schreibt über die fundamentalen Dinge des sportlichen Lebens und die Formel 1