Atomkritiker tot

Der Japaner Jinzaburo Takagi, Träger des alternativen Nobelpreises, kämpfte für eine „atomfreie Gesellschaft“

PEKING taz ■ Nicht nur dass Jinzaburo Takagi sein Krebsleiden, wie sonst in Japan üblich, nicht verschwieg. Bis zu seinem letzten Tag empfing der Träger des alternativen Nobelpreises („Right Livelyhood Award“) jeden, der an sein Sterbebett treten wollte. Zu ihnen sprach Japans bekanntester Atomkritiker wie immer: konzentriert, präzise, engagiert, nur um seine Besucher höflich, aber bestimmt zurück ins Leben zu schicken, wo er „die Verwirklichung einer atomfreien Gesellschaft“ immer noch für möglich hielt.

Takagi sah sich als modernen Aufklärer, sein Ideal öffentlicher Vernunft entlieh er frühzeitig bei Jürgen Habermas. Dabei wich der habilitierte Nuklearchemiker bis zum Schluss nicht von seinen Themen ab: der Gefahr der Plutoniumwirtschaft und dem möglichen Atomausstieg. Darüber verfasste er vierzig populärwissenschaftliche Bücher, und über Jahrzehnte, so schien es, nahm er an jeder Demonstration gegen Atomkraft in Japan teil. Es gab Zeiten, da wirkte sein Leben wie ein Alleingang. Erst nach Tschernobyl kam der Erfolg.

25 Jahre leitete Takagi das von ihm 1975 mit begründete „Citizen Nuclear Information Center“ in Tokio. Inzwischen ist ein großer Teil der japanischen Bevölkerung kritisch gegenüber Atomkraftwerken eingestellt, und niemand hat mehr dazu beigetragen als der Mann, der die vielen japanischen Atomunfälle der letzten Jahre mit der gleichen Präzision vorhersagte wie seinen eigenen Tod. Jinzaburo Takagi verstarb am Sonntag im Alter von 62 Jahren. CHIKAKO
YAMAMOTO/GEORG BLUME