„Mit der Waffe in der Hand“

NPDler rufen zum bewaffneten Kampf auf, NPDler überfallen Gedenkstätten – das reicht für ein Parteiverbot, meint der bayerische Innenminister Günther Beckstein

NÜRNBERG taz ■ „Schwerwiegend“ sei das Material, mit dessen Gewicht Bundesinnenminister Otto Schily Parteien und Verfassungsgericht von der Gefährlichkeit der NPD überzeugen will. Aber welche Indizien machen dieses Gewicht nun eigentlich aus?

„Waschkörbe voller Belege gegen die NPD“ befinden sich laut Bayerns Innenminister Günther Beckstein in den Archiven des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz. Ein randvoller Leitzordner davon liegt nun der Bundesregierung vor. Auch der niedersächsische Verfassungsschutz war in den letzten Wochen und Monaten eminent fleißig und hat ein 37 Seiten starkes Dossier zusammengestellt.

Darin sieht es Verfassungsschutzpräsident Rolf Peter Minnier als erwiesen an, dass die NPD „die aktivste und zugleich gefährlichste Organisation in der rechtsextremen Szene“ sei. Das Material, das die bayerischen Verfassungsschützer gesammelt haben, stammt aus Schriften der NPD, öffentlichen Versammlungen und aus Gerichtsakten. Es sind Ausschnitte aus Reden des NPD-Parteivorsitzenden Udo Voigt, in denen er zur Militanz aufforderte: „Wenn Deutschland in Gefahr gewesen wäre, hätte ich ... die Waffe in die Hand genommen ...Und das erwarten wir auch von euch. Deutschland ist in Gefahr.“ Voigt und seine Kameraden verlangten in ihren Schriften die „absolute Macht“ in Deutschland, um eine „völkische Ordnung“ einzusetzen. Während das jetzige System abfällig als „Demokratur“ bezeichnet werde, definiere das Parteiorgan Deutsche Stimme den Nationalsozialismus als ein „auf dem Fundament des deutschen Volkstums gegründeter ... Sozialismus als Gestalter der deutschen Volksgemeinschaft“.

Für Beckstein ist damit belegt, dass die NPD eine „neue Ordnung“ anstrebe, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Zusätzlich sei es führenden Neonazis gelungen, das Bild der NPD „nachhaltig“ zu prägen. Beispiel hierfür sind für die weißblauen Verfassungsschützer Sascha Roßmüller, einst im verbotenen „Nationalen Block“ aktiv, heute Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN), und Jens Pühse, früher Kader der verbotenen „Nationalistischen Front“, heute Bundesorganisationsleiter der NPD.

Auch der Auftritt des Hamburger Neonazis Christian Worch als Vertreter der „Freien Nationalisten“, also der so genannten freien Kameradschaften, beim „Tag des Nationalen Widerstands“ der NPD im Mai dieses Jahres in Passau oder die Wahlkampfreden des verurteilten Rechtsterroristen Manfred Roeder als NPD-Bundestagskandidat („Ohne Blut kann es kein neues Deutschland geben“) sind akribisch dokumentiert.

Dass „Gewalt und NPD Hand in Hand gehen“, folgert Beckstein aus der Beteiligung von NPD-Mitgliedern am Überfall auf Besucher der KZ-Gedenkstätte Kemna im Juli dieses Jahres und bei der von der Polizei inzwischen ausgehobenen kriminellen Vereinigung „Skinheads Sächsische Schweiz“.

Die bei der Bundesregierung eingereichten Unterlagen umfassen aber auch das, was verdeckte Ermittler und V-Leute aus NPD-Vorstandssitzungen berichteten. So kann Beckstein mit Genugtuung feststellen, dass die Verbotsdiskussion innerhalb der NPD bereits „Nervosität, Verunsicherungen und Spannungen“ ausgelöst habe. Insbesondere Parteichef Voigt stehe mit seinem Aufruf, vorerst auf Aufmärsche zu verzichten und sich von Neonazis zu distanzieren, in der Schusslinie. Süddeutsche NPD-Gliederungen und die JN forderten als „Revolutionäre Plattform – Aufbruch 2000“ Voigt zur Rücknahme seines Aufrufs auf.

Bedauerlich fände es Bayerns Innenminister Beckstein, wenn sich die Ansicht des Bundesjustizministeriums durchsetzen würde, wonach die Protokolle von abgehörten Telefonaten von NPD-Funktionären nicht im Parteiverbotsverfahren verwendet werden dürften. Er fordert vielmehr mit dem NPD-Verbot weitergehende Befugnisse für den Verfassungsschutz wie z. B. die Erleichterung einer präventiven Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs von Einzelpersonen.

Im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz sorgt man bereits vor. In den aktuellen Stellenangeboten sucht man Ingenieure im Bereich der Hochfrequenztechnik und verspricht einen „krisenfesten Arbeitsplatz“.

BERND SIEGLER