Ein AKW geht, das andere kommt

Mehr als nur Zufall: Der alte Meiler Stade an der Unterelbe wird 2003 abgeschaltet. Das neue tschechische Atomkraftwerk Temelín geht in den Probelauf

von MAIKE RADEMAKER

Es ist eine zufällige, aber bemerkenswerte Koinzidenz: Da meldet der deutsche Energiekonzern Eon, dass spätestens 2003 das Atomkraftwerk Stade vom Netz geht, und gleichzeitig verkündet in Tschechien das staatliche Energieunternehmen ČEZ, dass das AKW Temelín in den Probelauf geht.

Der Schluss, dass da ein AKW aus- und das andere als Ersatz angeht, ist zu einfach und enthält doch eine Wahrheit. Tatsächlich ist die Liberalisierung des Strommarktes für Tschechien eine Chance. So hat die ČEZ, die zu 25 Prozent Atomstrom im Angebot hat, ihren Stromexport im vergangenen Jahr um rund drei Prozent auf 12,3 Prozent erhöhen können – während gleichzeitig die inländische Nachfrage durch Sparmaßnahmen sank. Hauptabnehmer des tschechischen Stroms sind Deutschland und Österreich. Und größter Importeur des tschechischen Stroms in Deutschland war bislang das Bayernwerk, jetzt Eon.

Den Strom bekam Bayernwerk zum Dumpingpreis – der Exportpreis lag unterhalb der tschechischen Produktionskosten. Und Eon dürfte ihn zum selben Preis und in derselben Menge beziehen, schließlich werden zwar Kapazitäten heruntergefahren, von Importbeschränkungen war aber bisher nicht die Rede. Gegenüber der Umweltschutzorganisation Greenpeace soll die ČEZ den niedrigen Preis damit begründet haben, dass der Strom direkt aus dem AKW Dukovany stamme, das nun einmal billig produziere. Sollte Temelín einmal Lieferant für den deutschen Strommarkt werden, dürfte mit dieser Begründung ein ähnlicher Preis nicht entstehen – statt ursprünglich 35 Milliarden Kronen kosteten die beiden Reaktoren am Ende 110 Millarden Kronen.

Wieviel, wem und zu welchem Preis letzlich die ČEZ den Strom aus dem AKW Temelín verkaufen wird, ist bislang nicht bekannt. In den vergangenen Jahren hat Tschechien laut einer Studie des Ökoinstitutes in Deutschland einen neuen Absatzmarkt von 4,8 Milliarden Kilowattstunden gewinnen können, inklusive Durchleitungen aus Polen und der Ukraine.

Klar ist, dass das AKW Temelín wegen vorhandener Überkapazitäten für den Export produzieren wird. Und für die Grünen-Abgeordnete Emma Keller vom bayrischen Landtag ist auch klar, dass die staatliche ČEZ versuchen wird, im Ausland über Dumpingpreise gewisse Marktanteile zu bekommen: „Den Gewinn macht die ČEZ im Inland, wo sie keinem Wettbewerb ausgesetzt ist“, erklärte die Abgeordnete Ende August in einer Stellungnahme die Preisdrückerei der ČEZ.

Sobald allerdings Tschechien, das zu den ersten Beitrittskandidaten der EU gehört, dem Wettbewerb ausgesetzt würde, falle dieser lukrative Markt zusammen. Dass dann nicht gleich Schluss ist mit der tschechischen Atomkraft, dafür wird die tschechische Regierung vorab sorgen: Wenn die ČEZ privatisiert wird, ist der absolute Favorit der französische Stromkonzern Electricité de France (EdF). Grund für diese Entscheidung ist die Erfahrung der EdF mit der Atomkraft, heißt es in Prag. Den hat Frankreich auch im Export – von den französichen Nachbarn bezieht Deutschland bislang immer noch den größten Teil seines Atomstromimportes, nämlich über 10.000 Milliarden Kilowattstunden.

Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer ist dabei die Diskussion über Unsicherheit der ein oder anderen AKWs weniger wichtig – für ihn ist der Import von Atomstrom durch deutsche Firmen bei gleichzeitigen politischen Ausstiegsvorgaben kurz ein „dreckiges Geschäft“.

Im Internet: www.temelin.at und www.oeko.de