Das Ende der Illusion

„Es interessiert uns sehr, was Sie von unserer Idee halten“: Mit einem Gastspiel der kanadischen Performancegruppe PME endet das Minifestival „What you see is what you get“ im Podewil

von CHRISTIANE KÜHL

Der Titel lässt keine Fragen offen: „What you see is what you get“. Auf Deutsch übersetzt heißt das in diesem Zusammenhang etwa: Auf der Bühne ist hinter der Bühne. Keine Illusion, sondern Darsteller, die genau das tun, was Sie sehen, nämlich für Sie zu arbeiten. Es wird gelächelt, gesprochen, ab und zu getanzt, manchmal gesungen und sich vor allem jede Menge Mühe mit der Technik gegeben. Licht, Plattenspieler, Monitore, Mikrophone, alles professionell gehandhabt. – What you see is what you get: kein Königshof in Helsingör, kein Studierzimmer, kein Appartment in New Orleans – eine Bühne. Seit zehn, fünfzehn Jahren nennt man auch das Entertainment.

Unter dem Titel „What you see is what you get“ präsentiert das Podewil seit zwei Wochen eine kleine Theater-/Performancereihe. Nach Gob Squad und Forced Entertainment zeigten am Mittwoch PME aus Kanada mit „En Français Comme En Anglais, It’s Easy To Criticize“ die letzte Premiere des Programms, das am Samstag mit „lectures“ von Doris Kolesch, Clemens Risi, Jens Roselt und Christel Weilert von der FU Berlin endet („Vorträge“ hätte im Programmheft zweifelslos zu unhip geklungen).

„Es interessiert uns sehr, was Sie von unserer Idee halten, ein Stück über Kritik zu machen“, spricht eine Schauspielerin mit aufmunterndem Blick ins Publikum. Kritik und Übersetzung, ein dramatisch eher marginalisiertes Thema, wie sie offen zugibt. Mehr dazu fände man bei Gilles Deleuze in „Kritik und Klinik“.

Mit Godard hat sich die Gruppe auch beschäftigt, doch schon ein einziger Satz des Franzosen stellte die aus Franko- und Anglokanadiern zusammengesetzte Compagnie vor unlösbare Übersetzungsprobleme. Wie sie selber das Verhältnis von Kunst und Kritik sehen, erläutern PME dann überraschend bündig und ganz ohne Worte: Ein großes Marmeladenglas wird in die Luft gehalten zur Versinnbildlichung der Kritik, eine bunte Handpuppe als Symbol der Kunst. Dann wird die Puppe in das Glas gestopft. So much for that. C’est ça, wie die Franzosen sagen.

Der Abend beginnt ruhig. Eine Frau legt eine Cassette in den Recorder, Musik erklingt. Menschen kommen und gehen. Ein Papierstapel wird für ein hübsches Flatterbild in die Luft geworfen. Links vorne versammeln sich drei Personen vor Mikrophonen. Die erste erklärt die Theatersituation auf Englisch, der zweite übersetzt auf Französisch und kommentiert das Gesagte dabei, der dritte überträgt ins Deutsche und versucht, die Differenzen der ersten Aussagen dabei zu erklären.

Übersetzung und Kritik. Ein vielversprechender Anfang. Im Laufe des Abends meint man zu sehen, wie sie an ihrem Thema scheitern, um am Ende zu überzeugt zu sein, dass sie nie vorhatten zu bestehen.

Die Aktionen verlaufen sich. Als die Gruppe irgendwann schwerfällig diskutierend im Halbkreis sitzt, um nach Aufforderung ihres Regisseurs Jacob Wren zu beschreiben, wie sich Englischreden in Berlin anfühlt, verläuft sich auch ein Teil des Publikums. Life-Art hat sich von England aus anscheinend einen Platz in allen europäischen und nordamerikanischen Großstädten verschaffen können. Das ist schön. Ein wenig ist es mittlerweile aber doch so, dass mit Nonchalance und Selbstreferentialität allein das Theater auch nicht mehr zu retten scheint.

Solche Nonchalance with a Mission beherrschen Forced Entertainment aus Sheffield, Altmeister des jungen Genres – nach Berlin waren sie aber leider mit „Emanuelle Enchanted“ eingeladen, einer Produktion aus dem Jahr 1992, deren Weltuntergangsstimmung heute recht pathetisch rüberkommt. Gob Squads Apokalypsenprogramm wirkt zeitgemäßer: einfach eine neue Welt basteln und Party machen. Dass das einer gewissen – und wohl bewussten Dämlichkeit nicht entbehrt, musste man spätestens bei der Zuschauerpolonaise begreifen. PME spricht nicht über die Welt, sondern über das Theater, das auch nicht mehr das ist, was es mal war. Ein Ende geht da einfach: Der Letzte macht das Licht aus.

„En Français Comme En Anglais, It’s Easy To Criticize“. Heute und morgen, jeweils 21 Uhr, Podewil, Klosterstraße 68 – 70. Die „Lectures“ finden morgen um 17 Uhr am gleichen Ort statt.