Serben sollen Heiligabend wählen

Vertreter der Sozialistischen Partei und des Bündnisses der Demokratischen Kräfte einigen sich auf den 24. Dezember als Termin für vorgezogene Parlamentswahlen. Derweil ist der Kampf um die Macht in der Milošević-Partei voll entbrannt

aus Belgrad IVAN IVANJI

Serbiens alte und neue Machthaber können offenbar wieder miteinander reden und sich auch einigen: Am 24. Dezember soll ein neues Parlament gewählt werden. Auf diesen Termin für vorgezogene Neuwahlen einigten sich die Demokratische Opposition Serbiens (DOS) und die Sozialistische Partei Serbiens (SPS) des jugoslawischen Expräsidenten Slobodan Milošević, wie DOS-Vertreter Vladan Batić gestern in Belgrad bekannt gab. In der Nacht zum Samstag sei ein Treffen mit dem serbischen Präsidenten Milan Milutinović geplant, das Parlament werde heute oder Sonntag zusammenkommen.

Was diese Übereinkunft wert ist, werden die nächsten Tage zeigen. Denn schon einmal hatte sich die SPS von Verhandlungen mit der DOS über Neuwahlen und die Bildung einer Übergangsregierung in Serbien Mitte der Woche zurückgezogen. Zur Begründung hieß es, im Lande herrschten anarchistische Zustände. Der wirkliche Grund für den Rückzug war wohl bislang ein anderer: Die SDS fürchtet, Neuwahlen würden sie von der politischen Bühne fegen.

Derweil tobt ein schon lange erwarteter Machtkampf innerhalb der SPS. Der harte Kern will die Macht oder Teile von ihr solange wie möglich behalten. Die selben Menschen, die sich kaltschnäuzig jahrzehntelang über die Verfassung und die Gesetze hinweggesetzt haben, beklagen jetzt, beim Vorgehen der DOS handele es sich um einen Staatsstreich, der die legalen Institutionen außer Kraft setze.

Innerhalb der SPS melden sich jedoch auch Realisten zu Wort, die weiter mit DOS verhandeln wollen und die Meinung vertreten, Fehler der Partei hätten zu diesen Niederlagen geführt. Endlich scheint man auch entschlossen, Slobodan Milošević von seiner Spitzenfunktion in der Partei zu entbinden.

Sein Vorgänger als Präsident Jugoslawiens, davor Vizepräsident der Bundesregierung und in vielen anderen Funktionen, Zoran Lilić, forderte jetzt in einem Interview den Rücktritt von Milošević: „Wenn man Präsident Milošević fragen würde, ob er einen einzigen aufrichtigeren Mitarbeiter gehabt hat als mich, müsste er antworten: Keinen!“ Welche Ratschläge er Milošević gegeben habe, wollte er noch nicht bekannt geben. „Ich und er wissen, was ich ihm gesagt habe!“

Jedenfalls trat Lilić vor einigen Monaten von allen seinen Funktionen zurück, und als Strafe wurde ihm sogar die ihm gesetzlich zustehende Pension entzogen. Dafür kann er heute jedoch lächelnd und entspannt ohne Begleitung in der Fußgängerzone Belgrads spazieren gehen und mit den Leuten reden, während sich Milošević an einem unbekannten Ort verschanzt, wie zur Zeit des Nato-Bombardements.

Auch der Chef der Belgrader SPS und frühere Mediensprecher seiner Partei, Ivica Dacić, meldete sich bei einem privaten Fernsehsender zu Wort. Sein Auftritt mutete merkwürdig an. Hatte er früher stets Gestik und Sprache Milošević’ imitiert, war er jetzt auf einmal eine eigene Persönlichkeit. Auch er sprach von einer Erneuerung seiner Partei, der er aber weiter treu bleiben wolle. In ihr seien Personen in höchste Ämter aufgestiegen, die man besser hätte einsperren sollen, sagte Dacić.

Die bisherige Generalsekretärin, Gorica Gajević, wurde abgelöst und durch einen farblosen Funktionär aus dem Kosovo ersetzt. Der Parteitag der SPS ist für den 25. November angesetzt. Aber nur wenn er einen neuen Präsidenten, ein neues Programm, vielleicht auch einen neuen Namen wählt, könnte diese Partei mit ihrer Fraktion von 44 Abgeordneten im jugoslawischen Bundesparlament und den sicher bescheideneren Ergebnissen in Serbien als linke Kraft ihren Platz im politischen Leben des Landes finden.

Das wird sogar von ihren schärfsten Widersachern aus der bisherigen demokratischen Opposition erhofft. Was Parteinamen angeht, wird auch sie sich etwas Neues einfallen lassen müssen. Das siegreiche Bündnis von achtzehn Parteien und politischen Gruppierungen wird sich nun, da an die Macht gekommen, wohl kaum auch weiterhin Demokratische Opposition Serbiens, DOS, nennen können.