press-schlag
: Radiophoner Spaziergang mit Milena (Teil 8)

„Abba und Zehn“: Die Tochter beginnt den Papa zu entlarven

Seit einigen Wochen hat Milena (2 œ) ihren Fußballwortschatz, den sie angesichts des allsamstäglich gezückten Radios stets pawlowartig zu Gehör bringt, um einen neuen Begriff erweitert: „Abba und Zehn“. Was meint sie bloß mit diesem Hinweis auf die vier singenden Schweden? Wie man die Viererkette spielen muss, wenn beim Gegner einer vom Platz geflogen ist? Oder die Ausländerregel à la Daum, Augenthaler, Rehhagel und Heese?

Nein, schlimmer: Sie meint die Leidenschaft ihres bemitleidenswerten Vaters. Sie meint Hertha BSC. Da aber Hertha noch nicht spielte, sondern sich erst nach Redaktionsschluss zur Blamage ins Ostseestadion traute und da zudem Alemannia Aachen den Oddset-Tip bereits am Freitag vorsorglich ruiniert hatte, konnte man sich den Samstagnachmittag im Radio völlig entspannt anhören.

Und das lohnte: 13 Tore in der 2. Halbzeit, und allein 8 während der Konferenzschaltung von 16 Uhr 55 bis 17 Uhr 15, also alle 2 œ Minuten eines. Eine erfreuliche Torjägerei hat ohnehin eingesetzt: Zehn Saisonspiele endeten bisher mit 4:0, weitere fünf mit 4:1 und dann noch zweimal 3:3, je ein 4:4 und ein 5:2. Und mit Schalke führt tatsächlich mal auch der stärkste Sturm und nicht nur die stärkste Abwehr die Tabelle an.

Apropos: In der 1. Halbzeit hatten uns alle Reporter permanent versichert, dass es heute endlich wieder um den rollenden Ball und nicht um die „causa Daum contra Hoeneß“ gehe. Natürlich redeten sie dann doch über nichts anderes – schon, weil sie zunächst nichts anderes zu reden hatten, denn es fielen nur vier Tore. Assauer hat sich mit wirrer Logik an Hoeneß gehängt, Ewald Lienen hat sich verdienstvoll Franz Beckenbauer vorgeknöpft und das „Hoeneß, du Arschloch!“ aus Bremen hörte man bis in den Frankfurter Stadtwald.

Und es wird ja auch langsam dramatisch: Den Krisenverursacher Uli Hoeneß wie geplant in Würde loszuwerden, wenn die Bayern nach drei 0:1-Niederlagen in Folge auch das Lokalderby gegen 1860 verlieren, ist mittlerweile fast unmöglich, denn wenn die wild kursierenden Gerüchte sich bestätigen sollten, kann er ja nicht einmal mehr die Jugendarbeit übernehmen, ohne dass „Wildwasser“ einschreitet. Der Radiospruch des Tages kam aber vom Regionalligaspiel in Darmstadt: Der Reporter lobte die Schiedsrichterleistung mit dem Satz „Das sieht doch alles sehr glatt aus.“ Nicht besonders spektakulär? Schon, aber der Unparteiische hieß Mike Pickel.

Live vom Jacobiweiher:

OLIVER THOMAS DOMZALSKI