Die Stimmung der Palästinenser ist gedrückt

Die meisten Emigranten in Berlin glauben nicht an einen positiven Ausgang des Nahost-Gipfels. Mini-Demo vor dem UN-Flüchtlingshilfswerk

Sie sind resigniert und haben nur wenig Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten. Die Stimmung unter den Palästinensern in Berlin während der Friedensverhandlungen in Scharm al-Scheich ist bedrückt. „Wir glauben nicht, dass der Gipfel irgendwelche Resultate bringt“, sagt Lina Grama, die bei einer Beratungsstelle für arabische Frauen arbeitet. Die Unruhen und der Gipfel seien das „Top-Thema“ in allen Diskussionen. Bei der arabischen Redaktion von Radio MultiKulti (SFB) rufen viele Palästinenser an. Sie erkundigen sich nach dem neusten Stand, sagt Mitarbeiter Haroun Sweis. „Sie wissen als Exilanten nicht, wie sie die Situation beeinflussen können, und machen sich Sorgen um ihre Angehörigen.“

Gerade mal zwölf palästinensische Frauen demonstrierten gestern vor dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Mitte. Mit Kinderwagen und Schildern mit der Aufschrift „Frieden und Freiheit für Palästina“ übergaben sie eine Petition, die sich gegen das Vorgehen der israelischen Soldaten im Westjordanland richtet. Vor zwei Wochen gingen dafür noch mehrere tausend Menschen auf die Straße.

Der Protest gegen die Gewaltakte in Palästina wird von Frauen bestimmt. „Wir als Mütter wollen protestieren“, sagt Fatem Mustafa, eine junge Palästinenserin. Sie will sich „mit dem Leid und dem Kampf unserer palästinensischen Mütter und Schwestern“ solidarisieren. Ein Drittel der Opfer des Konflikts seien Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Die Frauen-Demo will eine friedliche Reaktion auf die Gewaltakte in der Heimat sein. In Essen hatten vor zwei Wochen 250 Teilnehmer einer Demonstration versucht, die Alte Synagoge zu stürmen. „Wir sind keine Terroristen“, betont Fatem Mustafa. Dass jemand aus Wut einen Stein in eine Synagoge wirft, sei zwar nicht auszuschließen, aber nicht im Sinne der Palästinenserinnen. „Wir wollen friedlich auf unsere Forderungen aufmerksam machen.“

Die Demonstrantinnen sind nicht nur aufgebracht über den „Kindermord“ in ihrer Heimat, sondern äußern auch starke Kritik an der – ihrer Meinung nach – projüdischen Berichterstattung in Deutschland. „Die deutsche Presse zeigt die Palästinenser als Menschen, die gegen Juden sind“, ereifert sich eine Frau. „Doch wir kämpfen nicht gegen die Juden, sondern gegen die Besatzung unseres Landes.“

In Berlin leben schätzungsweise 15.000 Palästinenser. 95 Prozent von ihnen kommen aus dem Libanon, der Rest aus Jordanien, Syrien und dem Westjordanland. Rund ein Drittel von ihnen sind eingebürgert. Sie kamen Anfang der 70er-Jahre, um in Deutschland zu studieren. 3.000 werden nur geduldet. Weil sie schon im Libanon Flüchtlinge waren, besitzen sie keinen Pass. Das Land weigert sich, ihnen neue Papiere auszustellen. Deshalb können sie nicht abgeschoben werden. Hinzu kommen schätzungsweise 2.000 bis 3.000 Palästinenser, die ganz ohne Aufenthaltsstatus in Berlin leben.

Redakteur Haroun Sweis ist sich sicher, dass von den in Berlin lebenden Palästinensern keine Bedrohung ausgeht. Sie seien eher kulturell und sozial als politisch organisiert. Nach Angaben des Verfassungsschutzes gibt es in Berlin 50 Mitglieder der radikal- fundamentalistischen Hamas-Organisation. Ein Schwerpunkt ihrer Aktivitäten sei die Erweiterung ihrer personellen und finanziellen Basis, die sie in Berlin durch soziale Betreungsangebote erreichen wollen.

Nach Angaben von Stefan Paris, Sprecher der Innenverwaltung, haben die Sicherheitsbehörden derzeit „alle Antennen ausgefahren“. Der Polizeischutz für US-amerikanische, israelische und britische Einrichtungen sei verstärkt worden.

INGRID GEGNER/JULIA NAUMANN