Karl und die Koggen

■ Nach der Gastro-Kolonisation der Schlachte melden sich jetzt die Historiker zu Wort

Touristen und andere Menschen, die bereit sind, für ein Bier soviel zu bezahlen wie für einen ganzen Kasten Qualitätssprudel, haben die Schlachte in den Sommermonaten erobert. Kalter Kaffee. Denn jetzt, da sich bleierne Ruhe über das EXPOnierte Weserufer senkt und auch die Weltausstellung selbst wieder eingepackt wird, wagt sich eine ganz andere Spezies aus der Deckung hervor – die Historiker.

Diese sind gar nicht amused, dass bei dem ganzen Trubel eines vollkommen untergegangen sei: Der 750. Geburtstag der Schlachte, der sich just in diesem Jahr ereignet. Und weil Historiker nicht zufällig Historiker geworden sind und daher eine Art Jubiläums-Reflex besitzen, haben sie ein öffentliches Kolloquium zur Geschichte des Bremer Hafens organisiert, das heute im Schütting beginnt. Titel: „Von der Balge zur Schlachte. Schifffahrt von der Karolingerzeit bis zum hohen Mittelalter“.

Einer der Väter der Veranstaltung ist Dr. Konrad Elmshäuser, der sich im Staatsarchiv als Mediävist betätigt, vorzugsweise, wenn es um Karl den Großen geht. Kein Wunder also, dass der Ober-Karolinger mit im Programm ist – schließlich hatte er vor ziemlich genau 1.200 Jahren das Vergnügen, gekrönt zu werden. Und schließlich sind die kaiserlichen Missionare bereits im achten Jahrhundert in Bremer von Bord gegangen. Wie sich die „Hafenstrukturen“ seitdem entwickelten, das wollen die Tagungsteilnehmer miteinander verhandeln. Man fragt sich nur – warum?

Für Elmshäuser, der das Kolloquium gemeinsam mit der Historischen Gesellschaft und einem universitären Schifffahrts-Spezialisten vorbereitet hat, ist der ganze Trubel um die „Stadt am Fluss“ fragwürdig, wenn der geschichtliche Hintergrund fehlt. Vieles sei noch gar nicht geklärt – etwa, warum genau sich die Bremer irgendwann um 1250 von der eher innerstädtischen Balge zur Schlachte umorientiert haben. Ob allein die neuen dickleibigen Koggen die Ursache waren? Fest steht bislang nur, dass die erste Urkunde, in der von einer mit Pfählen befestigten „slait“ die Rede ist, jedenfalls aus dieser Zeit stammt.

Auch der Umgang mit diesem Dokument ist für Elmshäuser ein Indiz, dass die Bremer im Umgang mit ihrer Geschichte eher „verschnarcht“ sind. Andere Städte, sagt er, würden einen Mords-Affen machen, um überhaupt eine Urkunde aus dieser Zeit zu besitzen. Und die Schlachte heute? Hier ist es die Hanse-Kogge, die den Archivar in seinen historischen Grundfesten erschüttert, „das sieht doch aus, als wär's von Playmobil“.

Es ist jedoch der Funktionsverlust des ehemaligen Hafens selbst, der dem Historiker die größte Sorge bereitet. Der „Sprung der Bürger“ zur Schlachte sei wohl gelungen, aber was ist mit dem Fluss? Dieser gehöre weiterhin nicht zur Stadt. Für Elmshäuser „läuft die Schlachte in ein Problem rein“.

hase

Daran wird vermutlich auch das Kolloquium wenig ändern, dass heute um 20 Uhr im Schütting eröffnet wird. Am Donnerstag ab 9 Uhr 30 steht im Uni-Gästehaus auf dem Teerhof unter anderem folgende Fragen zur Debatte: Die Hafen-Archäologie, die Entstehung der Schlachte und „Die Schlachtemauer heute“. Info Tel.: 361-6221.