american pie
: Die Major League Soccer stagniert

Bratwurst gewinnt

now the half-time air was sweet perfume

Sparky, der riesige Plüschhund, tanzt auf dem Rasen wie in Trance. Der Stadionsprecher im Chicagoer Soldier Field verkündet den großen Familientag. Feuerwerk explodiert, der Funke will aber nicht so recht überspringen. Dabei lassen sich die Verantwortlichen der Chicago Fire für die Fans stets viel einfallen. Heute hat ein Sponsor zum Fototermin mit den Spielern geladen. Nur Fußball zu bieten, wäre zu wenig.

Gegen die Späße, die im ausverkauften Wrigley Field, rund sechs Kilometer nordwärts geboten werden, sind diese Einlagen recht unspektakulär. Bei Baseball-Auftritten der Chicago Cubs kann es vorkommen, dass ein Fleischfabrikant mannsgroße Würstchen um die Wette rennen lässt. Deutsche Bratwurst gewinnt dann meist knapp vor polnischer Krakauer und italienischer Kabanossi. Die zwölf Teams umfassende Major League Soccer (MLS) konnte sich auch in dieser Saison noch so sehr mühen – das Interesse blieb aus. Dabei investierten neun Firmen mit 135 Millionen Dollar so viel wie nie. Ob Lodda Matthäus bei den MetroStars in New York oder der Bulgare Hristo Stoitchkov bei Chicago Fire – große Namen wurden angeheuert. Mit einer Großoffensive an Neuem sollte die Gunst des sportverwöhnten Publikums gewonnen werden. So entschied zum Beispiel erstmals der Schiedsrichter über die Spielzeit und nicht die Stadionuhr.

„Die Fans werden es uns danken“, zeigte sich MLS-Boss Don Garber noch vor Saisonbeginn zuversichtlich. Im Premierenjahr 1996 lag der Schnitt noch bei 17.000 pro Kick. Zuletzt wurden weniger als 14.000 Interessierte registriert. Gespenstisch ging es zuweilen auch in Chicago zu: An manchen Tagen verloren sich nur 6.000 Fans in der 55.000 Plätze bietenden Arena. Darüber hinaus vermeldete der treue Kabelsender ESPN trotz seines gesteigerten Soccer-Engagements mit weniger als 700.000 Zuschauern eine niedrigere Quote als im Vorjahr.

„Fehlende Qualität“ sei nicht der Grund für die Misere, glaubt Chicagoes Manager Peter Wilt. Europäische Erstligisten wie der Hamburger SV (5:1), Derby County (1:0) oder Legia Warschau (3:2) kamen in diesem Jahr bereits zu Testspielen nach Illinois – und verloren stets. Andere Spitzenklubs haben längst den US-Nachwuchs für sich entdeckt. Bayer 04 Leverkusen machte mit der Verpflichtung des 18-jährigen Landon Donovan den Anfang. Der PSV Eindhoven erwarb kürzlich das Vorkaufsrecht für Chicagoes DeMarcus Beasley. Der 18-Jährige trainiert bereits beim PSV.

Als die Fire-Elf am Sonntag das MLS-Meisterschaftsfinale in Washington gegen die Kansas City Wizards vor 39.000 Zuschauern unglücklich mit 0:1 verlor, wurde indes deutlich, was wirklich fehlt: Zählbares. Mit der 48-minütigen Slam-Dunk-Garantie beim Basketball werden 90 Minuten US-Fußball nie konkurrieren können. Stumpfsinnige Statements wie „Wir sind ein Team, deshalb haben wir elf Spieler auf dem Feld“ (Stoitchkov) oder „So ist Fußball“ (Fire-Coach Bob Bradley) machen wenig Mut. Der US-Soccer nähert sich den geläufigen Kicker-Weisheiten, die wohl auch am Samstag beim Pokalfinale zwischen Chicago und Miami Fusion zum Besten gegeben werden. OLIVER LÜCK