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: Genug gelöchert und genervt

■ Nach langer Abstinenz beglücken die Kult-Waver „Chameleons“ die Fans mit zwei neuen Stücken. Dem Modernes steht ein Klassekonzert bevor

Mit dem Phänomen des Nachruhms haben KünstlerInnen aller Sparten zu kämpfen. Musikgenies in vergangenen Jahrhunderten konnten meist von ihren Erfolgen bloß träumen, während heutzutage manche Musiker späte Lorbeeren nach Auflösung ihrer Band noch erleben dürfen – mit Ausnahme derjenigen, die sich vorher den Kopf wegpusten.

Als die Chameleons 1983 ihr Debütalbum „Script Of The Bridge“ veröffentlichten, hatten sie schnell eine Schar begeisterter Fans – der dunkle, atmosphärische Waverock traf den Zeitgeschmack. Nach nur drei Studioalben war es jedoch just jener Erfolg, der 1986 zum Ende dieser Band führte. Und selbst hier trat das Phänomen des Nachruhms ein: In den folgenden 14 Jahren erschienen mehr Chameleons-Alben als zu Bandzeiten: Life-Mitschnitte, Bootlegs, die unvermeidliche John-Peel-Session und dergleichen mehr.

Fans rund um die Welt haben Mark Burgess, Reg Smithies, Dave Fielding und John Lever eisern die Treue gehalten. Und die mit ihnen um die Chameleons trauernden Musikjournalisten nervten die vier Musiker in Interviews zu deren jeweils aktuellen Formationen (u. a. The Reegs, The Sun and The Moon, Invincible) mit nostalgischen Ausflügen zu den Chameleons und löcherten sie mit der unvermeidlichen Fragen nach einem Revival.

So richtig dran geglaubt hat dann wohl keiner mehr – schließlich sind 14 Jahre 14 Jahre und die Antworten sind stets negativ ausgefallen. Grund genug zum Jubel, dass die vier Musiker zu Beginn dieses Jahres ihre Animositäten überwunden und die Chameleons in Originalbesetzung wieder formiert hatten. Doch auch Anlass zu der Frage, ob sich etwa auch diese Band dem grassierenden 80er-Revival anschließt, um noch mal schnell Geld zu scheffeln.

Doch die ersten Gigs in einem kleinen Club in Nordengland, aus denen fünf blitzschnell ausverkaufte Abende wurden, beschwichtigte alle Bedenken. Und das neue Album „Strip“ bietet neben unplugged-Versionen einiger Klassiker wie „Soul in Isolation“ zwei neue Stücke und zeigt, dass es hier nicht um einen gelangweilten Aufguss geht, sondern um Weiterentwicklung: Die Chameleons in Bestform, brillant und magisch wie früher und doch neu und spannend.

Nach weiteren furiosen Konzerten in Manchester und London im Sommer ist die für eindrucksvolle Life-Auftritte bekannte Band nun auf Tour und wird dann ins Studio gehen, um ihre Fans im nächsten Jahr mit einem neuen Album zu beglücken: Bleibt nur zu hoffen, dass nicht nach drei weiteren Alben erneut Schluss sein wird!

Karen Schulz

Sonntag, 20 Uhr, Modernes