Alter Wein aus neueren Schläuchen

11 Billionen Yen: Japan legt das zehnte Konjunkturpaket seit 1992 auf. Höchste Staatsverschuldung aller OECD-Staaten

TOKIO taz ■ Die japanische Wirtschaft erholt sich recht munter und erhält nun vom Vater Staat nochmal einen Schubs mit einem Konjunkturpaket in Höhe von 11 Billionen Yen (234,5 Milliarden Mark). Die enorme Summe verblasst allerdings im Vergleich zur Gesamtsumme, die seit 1992 für die Ankurbelung der Konjunktur ausgegeben wurden: 135,37 Billionen Yen (2,883 Milliarden Mark), rund das Doppelte der Kosten der deutschen Vereinigung. Trotz der massiven Gelder rutschte Japan vor zwei Jahren in die tiefste Rezession nach dem Zweiten Weltkrieg und erholt sich seither im Kriechgang.

Allerdings wird in diesem Jahr der Staatshaushalt mit „nur“ 3,9 Billionen Yen (83 Milliarden Mark) zusätzlich belastet. Die Finanzierung erfolgt über einen Nachtragshaushalt, von dem rund die Hälfte mit einer Neuemission von Staatsanleihen gedeckt wird. Die Schwerpunkte der staatlichen Förderprogramme sind diesmal auf die Städte zugeschnitten, nachdem die regierende Liberaldemokratische Partei in den letzten Unterhauswahlen von urbanen Wählern eine Abfuhr erhalten hatte. Doch die schönen Titel für die Subventionen wie IT-Förderung, Umweltschutz und soziale Infrastruktur kaschieren die Subventionen für die Bauwirtschaft, die in Japan dieselbe Rolle spielt wie in den USA der militärisch-industrielle Komplex. Das riecht nach altem Wein in neuen Schläuchen.

Wie wirkungsvoll solche Subventionen eingeschätzt werden, zeigte die Reaktion der Märkte. Die Tokioter Börse setzte gestern ihre Talfahrt auf ein neues 20-Monate-Tief fort. Der Gang der japanischen Konjunktur wird in den nächsten Monaten maßgeblich von der Weltkonjunktur beeinflusst, wobei die größten Gefahren von einer schnellen Abkühlung der US-Wirtschaft und den hohen Ölpreisen drohen.

Trotz dieser Gefahren gehen private Ökonomen davon aus, dass Japan in diesem Fiskaljahr um 2 Prozent wachsen wird. Das Wirtschaftsplanungsamt (EPA) setzte die Prognose gestern von bisher 1 Prozent auf 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum hoch.

Weniger Sorge bereitet die Tatsache, dass Japan nach dieser Bonanza von Konjunkturpaketen mit einer Verschuldungsrate von 130 Prozent des Bruttoinlandprodukts als höchstverschuldetes Land der OECD dasteht. Auf längere Sicht gesehen könnte die Verschuldung zur Gefahr werden und ist ein Warnsignal für die Regierung, im nächsten Jahrhundert das Wachstum mit Liberalisierung und nicht mit staatlicher Subventionierung zu schaffen. ANDRÉ KUNZ