Die Profi-Bettler

Der Spendenmarkt ist hart umkämpft. Wenn wie bei der Berliner Aidshilfe das Mitleid der Öffentlichkeit ausbleibt, hilft nur noch Marketing. Professionelle Agenturen bieten Hilfe – gegen einen Teil der Spenden

von SUSANNE AMANN

Am Anfang war jeder entsetzt. Mitte der 80er-Jahre kam Aids scheinbar aus dem Nichts. Es existierten weder Wissen noch Medikamente gegen die Krankheit. Dafür Angst und Betroffenheit.

Bundesweite Aufklärungskampagnen, Benefizgalas und Wohltätigkeitsbasare, Aids ging plötzlich alle an. Tom Hanks litt und starb in seinem Kinohit „Philadephia“, und ein Millionenpublikum hatte Mitleid. Die frisch gegründeten Berliner Aidshilfe e. V. (BAH) wurde vom Senat unterstützt. Und viele Menschen halfen einfach. Geld oder Zeit spielten keine Rolle.

Doch Aids hat sich verändert. Durch neue Behandlungsmethoden sank die Zahl Todesfälle. Das Bild des ausgemergelten und mit braunen Flecken übersäten Aidskranken verschwand aus der Öffentlichkeit. Die Spendenwut ließ nach. Und auch der Senat kürzt seit vier Jahren kontinuierlich die Gelder.

Ein Problem, das nicht nur die Aidshilfe kennt: Die staatlichen Zuwendungen für Non-Profit-Organisationen sinken seit Jahren, trotz gleich bleibender Arbeit. Die Deutschen sind zwar nach wie vor Weltmeister im Spenden, aber am liebsten für aktuelle Katastrophen. „So tickt der Mensch halt, er spendet, wenn die emotionale Betroffenheit da ist“, zuckt BAH-Geschäftsführer Kai-Uwe Merkenich mit den Schultern.

Nun muss sich die Aidshilfe die pekuniäre Solidarität erarbeiten: Social Sponsoring und Fundraising heißen die Schlagworte. Letzteres bedeutet eigentlich erst mal nur Spendenwerbung. Gemeint ist aber die gezielte Einwerbung von Fördermitteln nach Marketingprinzipien. Greenpeace arbeitet seit Jahren mit diesen Konzepten.

Bei der Berliner Aidshilfe sind es nach wie vor einzelne Personen, die helfen: Da schneidet ein Friseur einen Tag lang für die Aidshilfe die Haare, oder Konzerteinnahmen werden komplett gespendet. Von großen Firmen kommt wenig. Was zieht, ist Prominenz. Die sammelt sich gerne in Kuratorien. Bei der Aidshilfe geben sie aber nicht nur den Namen, sondern sind „wahnsinnig engagiert“, betont Merkenich. Es sei Gold wert, dass sich zum Beispiel Judy Winter nach ihren Konzerten mit dem Sammelhut an den Ausgang stelle. „Da stehen die Leute Schlange, um ihre Scheine loszuwerden“, lacht Merkenich.

Um diese Scheine mühen sich zunehmend professionelle Beratungsfirmen. „Wir entwerfen mit den Organisationen Kampagnen, mit denen die Öffentlichkeit mobilisiert werden kann“, erklärt etwa Katrin Stegmüller von der Agentur Neues Handeln das Grundkonzept. Dafür landet ein Teil der Spenden in der Kasse der Agentur. „Viele begreifen nicht, dass man erst investieren muss, bevor dabei etwas rauskommt“, klagt Stegmüller. Das sei der grundlegende Denkfehler. Einen Widerspruch zur Non-Profit-Idee sieht die Profitorientierte nicht: „Wir erbringen eine Leistung wie andere PR-Agenturen auch, warum sollte die nicht bezahlt werden?“

Die BAH beobachtet diese Art von Geldbeschaffung skeptisch, befürchtet aber, dass auch ihnen keine Alternative bleibt. „In den USA“, weiß Merkenich, „arbeiten seit ein paar Jahren alle so.“

Berliner Aidshilfe: Spendenkonto 3132205, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 100 205 00. Telefon: (0 30) 8 85 64 00