Vom Innenleben einer NGO

Contraportada ist eine kleine und nicht unbedingt typische NGO in El Salvador, die sich der Fortbildung von Journalisten widmet. Sie arbeitet damit im entwicklungspolitischen Schwerpunkt der Partizipation: Kritischer Journalismus fördert die Demokratie. Untypisch ist Contraportada unter anderem wegen der Gehälter: Der Geschäftsführer, zuvor Nachrichtenchef eines Fernsehsenders, verdient weniger als in seiner vorherigen Anstellung. Und er verfügt nicht über die sonstigen Insignien eines üblichen NGO-Geschäftsführers (Dienstwagen mit Fahrer, Handy).

Trotzdem lässt sich am Beispiel von Contraportada studieren, dass NGOs längst in die Strategien von Regierungen und Privatwirtschaft eingebunden sind und dass sie einen zweiten Arbeitsmarkt geschaffen haben: Als 1996 die Stelle eines Geschäftsführers ausgeschrieben wurde, gab es mehr als hundert Bewerber. Keine Arbeitslosen. Aber Journalistikstudenten mit enormen Gehaltsvorstellungen. Ein Student erwartete ein monatliches Salär von rund fünftausend Mark. Auf dem lokalen Medienmarkt kann er als Berufsanfänger im besten Fall mit achthundert Mark rechnen.

Fast immer, wenn die US-Botschaft in El Salvador ein Thema des Landes lancieren will, kommt ihr Kulturbeauftragter zu Contraportada. Er bietet US-Dozenten an, übernimmt Kosten für Flug und Unterkunft, mietet ein Hotel für das Seminar an. Von Contraportada braucht er nur den guten Ruf unter Journalisten.

Auch die Privatwirtschaft hat diesen Nutzen erkannt. Als Microsoft in El Salvador eine Marketing-Offensive startete, passte die Journalisten-NGO ins Konzept. Titel des angebotenen Seminars: „EDV und Internet für Journalisten“. Mit Microsoft-Dozenten und -Programmen.

Oft genug spielt Contraportada mit. Salvadorianer erwarten heute, dass Fortbildungen in Luxushotels stattfinden. Aus eigenen Mitteln wäre das nicht bezahlen. KEP