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: Kreative Finanzpolitik

Der Begriff der Kreativität ist bei Finanzfragen mittlerweile etwas in Misskredit geraten. Das störte Heide Simonis, Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, aber überhaupt nicht, als sie gestern „Kreativität und Verwaltungskunst“ einforderte, damit der jüngste Streit zwischen Bund und Ländern beigelegt werden kann. Die SPD-geführten Länder finden Entfernungspauschale und Heizkostenzuschuss zwar gut, wollen aber trotzdem nicht zahlen.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Ist hier nur eine momentane Geldknappheit der Länder zu verhandeln, der man pragmatisch beikommen könnte? Nein. Es geht um Verfassungsfragen, also politische Fragen. Die Finanzverfassung des Bundes schreibt vor, dass die Mindereinnahmen bei Einkommensteuern fifty-fifty zwischen Bund und Ländern aufzuteilen sind. Demgegenüber kontern die SPD-regierten Länder schlicht: „Wir können nicht mehr.“

Tatsächlich wäre es an der Zeit, über eine Neuaufteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern nachzudenken. Zwischen der föderativen Struktur der Bundesrepublik und der finanziellen Realität weitet sich die Kluft zuungunsten der Länder. So wichtig es sein mag, mit Hilfe zentralisierter Finanzpolitik die wirtschaftliche Einheit der Bundesrepublik zu sichern: Es muss doch so etwas geben wie eine Entsprechung zwischen Staats- und Finanzverfassung, beide müssen „homogen“ sein, wie es im Verfassungsrecht heißt.

Falls Heide Simonis die Kreativität auf diesen Bereich lenken will, umso besser. Zu beobachten ist allerdings seit dem Streit um die Steuerreform eine eher umgekehrte politische Richtung. Der Deal, „du stimmst zu, ich schiebe Kohle rüber“ hat ewas Ansteckendes – auch wenn ein solches Geschäft bei Niedersachsens Zustimmung zur Entfernungspauschale (gegen Übernahme der Expo-Schulden) eher unwahrscheinlich ist, weil zu teuer erkauft.

Eine Pointe dieses jüngsten Bund-Länder-Streits besteht darin, dass er in den Reihen der Sozialdemokratie ausgetragen wird. Früher war die SPD eine Partei des demokratischen Zentralismus. Heute schlägt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung aus. Das Treppchen zur Führung steht jetzt weder in der Partei noch in der Fraktion, sondern in den Staatskanzleien der Bundesländer, verbunden mit entsprechenden Loyalitäten. Schlecht für eine Partei, die programmatisch nach wie vor aufs Ganze angewiesen ist.

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