Auch du kannst es schaffen!

Ein-Mann-Love-Parade im Velodrom: Jürgen Höller, nach eigenen Angaben Europas erfolgreichster Mentaltrainer, lud zum Motivationstag in Berlin. 5.000 wollten lernen, wie man ein Erfolgstyp wird

von PHILIP MEINHOLD

Weiter, weiter. Lass dich nicht hängen. Alles ist möglich. Auch du kannst es schaffen. Sagt Jügen Höller, und der muss es wissen. Höller ist schließlich Deutschlands bekanntester Mentaltrainer, von Allegra und FAZ unisono „Motivations-Guru“ getauft. Er coacht die Mitarbeiter von IBM und war zuständig für das mentale Doping von Christoph Daum. 150.000 Menschen trimmt Höller jedes Jahr auf Erfolg – und 5.000 weitere kamen am Samstag dazu. Beim ersten Berliner „Motivationstag“ im Velodrom in Prenzlauer Berg.

Die Mischung der Besucher ist so bunt wie die Verkäuferkrawatten der anwesenden Außendienstmitarbeiter. Dickbäuchige Versicherungsvertreter sitzen neben jungen Männern in teuren Anzügen und mit kantigem Kinn, dazwischen Frauen im adretten Kostüm. 800 Mark hat der Kölner Besitzer mehrerer Sonnenstudios für seine VIP-Karte in der ersten Reihe gezahlt, immerhin 99 Mark für den billigsten Platz hat die 22-jährige Hauswirtschaftslehrerin hingelegt, die mit ihrer Freundin aus München gekommen ist. Ihr Ziel: Sie will es schaffen. Was, ist egal. Es, etwas, egal. Erfolg wollen sie haben. So steht es auch auf dem Transparent, das neben der Bühne hängt: „Sag Ja zum Erfolg!“ – das machen sie gerne. Alles ist möglich, du kannst es schaffen.

SAT-1-Moderator Franklin mahnt, dass die Energie aus dem Saal kommen muss, die Samba-Trommler von Terra Brasilis heizen kurz ein. Aus der Kulisse kommt Nebel und aus den Boxen „Simply the best“. Und schließlich kommt er: Jürgen Höller tritt auf. Er springt auf die Bühne und tanzt wie ein Irrer. Neben ihm sieben Tänzer, alle im Anzug, ein Business-Ballett.

Jetzt geht es los, und der Saal ist dabei. Alle springen auf, werfen die Arme in die Luft, klatschen im Takt. Sitzen zu bleiben fällt wirklich nicht leicht. Das fühlt sich an, als wäre man auf einer Faschingsparty der Einzige, der ohne Kostüm erschienen ist. Befreiend müsste es sein, jetzt aufzuspringen und die Faust wie die anderen in die Luft zu strecken. Dann ist genug getanzt, die Lektion kann beginnen.

Höller duzt die Leute, und zwar im Singular. „Alles ist möglich. Auch Du kannst es schaffen.“ 5.000 Menschen, und Höller sagt „Du“. Billig ist das. Und funktioniert trotzdem gut. Keiner, der sich nicht von ihm angesprochen fühlt – von Sätzen, bei denen man nicken muss, Jasager-Sätzen wie: „Wir müssen mehr von den Kindern lernen.“ Oder: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.“ Die Sätze sitzen – genau wie die Dramaturgie. Höller wechselt zwischen eindringlichen Appellen und pathetischen Geschichten, wie der vom Erfolgsweg der Zauberer Siegfried und Roy. Ein kurzer Witz, und dann wieder Techno-Mainstream. Höller hat so viel Energie, als hätte er E geklinkt. Er ist so optimistisch wie Dr. Motte und so gut drauf wie eine Million Raver an der Siegessäule. Auf der Bühne des Velodroms steht eine Ein-Mann-Love-Parade. Alles ist möglich, und auch du kannst es schaffen. Wer es nicht schafft, ist irgendwie selbst daran schuld.

Dabei ist Höller sich sein eigenes Beispiel: 1991 hat er sich vorgenommen, die Westfallenhalle zu füllen. Dieses Jahr hat er es geschafft. Sein nächstes Ziel: In fünfzehn Jahren eine Milliarde Mark Umsatz machen. Das Ziel ist das Ziel, und wenn das Ziel erreicht ist, dann gibt es ein neues. Er sagt: „Verrückt musst du sein!“, und eine Milliarde Mark, das findet er selbst am verrücktesten.

Und dann sagt Höller: „Du musst der Beste sein, der dir möglich ist!“ Das ist nun wirklich ein schöner Satz. Und Höllers Botschaft ist vielleicht auch nicht verkehrt. Fast klingt es nach Anarchie, wenn er sagt: „Tu, was du willst!“ Das Dumme: Wer hier ist, will vor allem viel Geld, Erfolg im Beruf, „Business-Success“.

Aber Beruf ist nicht alles, und Glück gibt es nur im Kompaktpaket. Weshalb nach zwei Stunden Höller noch andere Referenten kommen. Die n-tv-Moderatorin Ferstl gibt Anlage-Tipps für die Börse; ein Mediziner erzählt, wie man das Aussehen eines Gewinners bekommt. Und ein Beziehungs-Experte erklärt schließlich, wie Männer bei Frauen „mit kleinen Liebesbeweisen ein dickes Punktekonto bekommen“. Und wie Frauen „ihrem Mann volle Anerkennung geben“.

Am Ende wird noch einmal „Simply the best“ gespielt. „Das hat was gebracht“, sagt der Sonnenstudiobesitzer, bevor er seinen Zug nach Köln besteigt. „Der Akku ist voll, das hat mir einen Schub für die nächsten Projekte gegeben.“ Wie lange der Schub vorhält, weiß er selber nicht. Aber jetzt geht es mit dem Gefühl nach Hause, der Beste zu sein.