Der Zauberer von Os, Kronprinz des Parteichefs

Wie ein Bürgermeister der Fortschrittspartei seine Stadt umkrempelt: Neue Kneipen und Altersheime, neue Auflagen für Flüchtlinge

OSLO taz ■ Seit einem Jahr hat die Fortschrittspartei ihren ersten Bürgermeister im Lande. Bei der Kommunalwahl in der Gemeinde Os, 30 km südlich von Bergen am westnorwegischen Björnefjord gelegen, hatten vor einem Jahr 32,2 Prozent der WählerInnen in dem 14.000 EinwohnerInnen zählenden Ort für die Fortschrittspartei gestimmt. Aufgrund einer Wahlabsprache mit der konservativen Partei Höyre konnte so der 31-jährige Terje Söviknes zum Bürgermeister gewählt werden.

Der Mann der Fortschrittspartei hat in dem einen Jahr seiner Amtszeit in der Gemeinde vieles verändert. Als erstes wurde Geld in die Kasse gespült: Durch den Verkauf des örtlichen Kraftwerks, des kommunale Unternehmensparks und von Gemeindegrundstücken. Auch der kommunale Aktienbesitz soll zu Geld gemacht werden. Mit der Ausweisung von attraktiven Grundstücken sollen gutbetuchte SteuerzahlerInnen für einen Zuzug nach Os interessiert werden. Die Gemeinde verkauft auch direkt am Strand gelegene Grundstücke – der Strandschutz ist ansonsten in Norwegen heiliges Allgemeingut. Die nächtliche Sperrstunde für alle Kneipen wurde verlängert, alle neuen Anträge auf Alkohollizenz für Kneipen werden – eine Sensation in Norwegen – ungeprüft genehmigt. Erstmals hat sich ein Laden des staatlichen Alkoholmonopols „Vinmonopolet“ in Os etabliert.

Vom Geldsegen profitiert haben vor allem die RentnerInnen des Ortes. Sie müssen keinen Eigenanteil mehr für Haushaltshilfen leisten. 40 neuen Altersheimplätze hat Söviknes geschaffen – die Hälfte von privaten Investoren betrieben. Ein neuen Krankenpflegeheim mit 80 Betten, ebenfalls zur Hälfte privat finanziert, ist geplant. Der Betrieb eines privaten Kindergartens mit 60 Plätzen in direkter Konkurrenz zum kommunalen Kinderhort wurde ausgeschrieben. Die Aufnahme von Flüchtlingen wurde bis zum Jahre 2003 gestoppt. Damit steht Os allerdings nicht allein da: Auch einige sozialdemokratisch und bügerlich regierte Kommunen haben solche Aufnahmestopps verhängt. Den Flüchtlingen wird Unterricht in norwegischer Sprache und Kultur sowie ein „praktisches Arbeitstraining“ angeboten – beispielsweise Rasenmähen und Straßenfegen. Wer dieses wöchentlich 30-stündige „Angebot“ nicht annimmt, dem wird die Sozialhilfe um ein Drittel gekürzt.

Die Gemeinde hat eine „Flüchtlings-Buchhaltung“ eingeführt, in der alle Ausgaben für AusländerInnen speziell ausgewiesen werden. Was diese später dann etwa der Staatskasse an Steuer- und Rentenzahlungen wieder zuführen, wird nicht einberechnet. Nach den ersten vorläufigen Ergebnissen weist die „Flüchtlings-Buchhaltung“ allerdings auf, dass Os in den letzten fünf Jahren mehrere Millionen daran verdient hat, Flüchtlinge aufgenommen und die entsprechenden Staatszuschüsse abkassiert zu haben. Noch hat der Bürgermeister daraus keine Konsequenzen gezogen.

Seine Zukunftspläne: Eine private Krankenversicherung mit Behandlungsgarantie innerhalb von sechs Wochen und ein kostenloser Winterurlaub für alle RentnerInnen im Ort. „Das norwegische Winterklima“, sagt Terje Söviknes, „ist eine Belastung für viele alte Menschen. Sie werden gesünder sein, wenn wir ihnen allen drei Wochen auf Zypern oder in Spanien spendieren. Und letztendlich werden wir damit sogar Geld sparen.“ Sein Parteivorsitzender Carl I. Hagen hat diese Idee übernommen und kündigt einen bis zu dreimonatigen Winterurlaub für Norwegens sonnenhungrige PensionistInnen an, sobald er an die Regierung kommt. Söviknes: „Wir brauchen neues Denken, und wir haben genug Geld im Lande. Wird es für unsere Rentner im Ausland ausgegeben, kann auch niemand behaupten, es sei inflationstreibend.“

Os lebt derzeit von dem, was die Privatisierung eingebracht hat. Söviknes ist mittlerweile zum stellvertretenden Parteivorsitzenden aufgestiegen. Er wird mit einiger Sicherheit bei den kommenden Wahlen ins Parlament gewählt werden. Hagen hat bereits klar gemacht, dass er Söviknes als seinen Kronprinzen und Nachfolger im Amt des Parteivorsitzenden ansieht.

REINHARD WOLFF