Sozialämter unter Quotendruck

Bis Ende 2001 soll es 7000 Sozialhilfeempfänger weniger geben. ÖTV: Sachbearbeiter ratlos, wen sie vermitteln sollen  ■ Von Kaija Kutter

Das Programm läuft schon länger und es hat auch einen guten Namen, „Hilfe zur Selbsthilfe“. Statt die Armut nur zu verwalten, sind die Sozialämter der Bezirke angehalten, Menschen in Arbeit zu vermitteln. Und damit sich auch wirklich was tut, gibt die Stadt den SachbearbeiterInnen Quoten vor. Es fing ganz zaghaft an: 500 Fälle sollten 1996 aus der Sozialhilfe „losgelöst“ werden. In den drauffolgenden Jahren waren es je 2000 Fälle, in diesem Jahr sollen es gar 4000 werden. Und im Haushaltsjahr 2001 nochmals 3000 - geschätzte Einsparung: 30 Millionen Mark.

„Es geht nicht darum, die alte Oma rauszudrängen“, erläutert Sozialbehördensprecher Stefan Marks. Wohl aber „kräftige junge Männer, die selbstbewusst auftreten“ und von denen Sachbearbeiter glauben, „die können doch auch fünf Jobs machen“.

Hamburg verzeichnet sinkende Zahlen bei SozialhilfeempfängerInnen. Waren es 1998 noch 134.000, so sind es nun 120.000. Weitere 30.000 davon, so schätzt der SPD-Abgeordnete Uwe Grund, „sind grundsätzlich arbeitsfähig“.

Also munter weiter so. Im vergangenen Jahr wurden in allen Sozialämtern sogenannte „Fachstellen“ eingerichtet, die auf „Zugangssteuerung“ und „Loslösung“ spezialisiert sind. Wer an sie gerät, dem kann es gehen wie Mansur V. Seine Arbeitslosenhilfe langt nur für die Miete, darum braucht er ergänzende Sozialhilfe. Ein ärztliches Attest über eine Schulterverletzung wurde von den „Fachberatern“ angezweifelt. Eine Untersuchung durch den Amtsarzt ergab, dass V. nicht mehr als zehn Kilo tragen darf. Trotzdem, so die Sachbearbeiter, könne er sich um einem Job bemühen. Die fünfköpfige Familie lebt nun vom Kindergeld.

„Das Ziel, ,sofort raus' aus der Sozialhilfe wird höher gewertet als eine mittelfristige Perspektive“, sagt Irene Bauerschmidt von der Alto-naer Frauenberatungsstelle EVA. Mit dem Argument, es gebe Arbeit für alle, würden vor allem junge Leute wieder weggeschickt, „ohne irgendetwas in der Hand“. Sozialhilfe bekämen nur noch „Leute mit abben Arm, Alte und Eltern von kleinen Kindern“, sagt auch Dirk Hauer, Sozialreferent der Gruppe Regenbogen. Die rückläufigen Zahlen seien kein Zeichen erfolgreicher Armutsbekämpfung, sondern nur Schönfärberei. Hauer: „Ich kenne Leute, die machen vier Nebenjobs um zu überleben. Die offene Armut sinkt, die verdeckte steigt.“

Schützenhilfe bekommen die Kritiker von ungewohnter Seite. „Die Quoten machen den SachbearbeiterInnen Stress“, sagt die für die Bezirke zuständige ÖTV-Referentin Sieglinde Frieß. In der Vergangenheit habe man „alle Leute, die gesund waren, rausgedrängt“. Die, die jetzt noch da seien, „Alkoholkranke und gehandicapte Menschen“, seien eine ganz schwierige Klientel. „Da müssen wir ganz andere Programme haben, um denen zu helfen“. Doch statt langfristiger Konzepte, so Frieß, würde die Politik die Verantwortung „auf dem Rücken der Kollegen“ abladen.

Die Quoten seien nur Zielvorgabe, „wenn die nicht erfüllt werden, wird deshalb keiner entlassen“, hält Behördensprecher Marks dem entgegen. Auch SPD-Politiker Uwe Grund kann die inhaltliche Kritik an Quoten „nur bedingt“ nachvollziehen. Immerhin zeigt er den SozialamtsmitarbeiterInnen, die mit 25 Prozent Ausfall chronisch unterbesetzt sind, auf, dass Quotenerfüllung lohnt. Er werde sich dafür einsetzen, so Grund zur taz, dass eingesparte Sozialhilfe in eine bessere Personalausstattung „reinvestiert“ wird.