: Vom Scheitern an der Unsterblichkeit
■ Jürgen Alberts hat in seinem neuen Buch „Der Violinkönig“ die Geschichte des norwegischen Geigers Ole Bull erzählt. Der wollte das Paradies auf Erden schaffen
Der Bremer Autor Jürgen Aberts stellt wieder ein neues Buch vor – ein besessener Schreiber. Sein neues Werk „Der Violinkönig“ erzählt die Geschichte von Ole Bull – einem besessenen Geiger. „Du alter Stehgeiger, dein Name wird längst vergessen sein, wenn die Welt noch in Erinnerung an mich niederkniet“, lässt Alberts den Pianisten Franz Liszt zu Ole Bull sagen. Wie vergänglich sind die Begeisterungsstürme des Konzertpublikums, nachdem die Ovationen einmal verklungen sind!
Schon Henrik Ibsen soll sich Ole Bull zum Vorbild für sein dramatisches Gedicht „Peer Gynt“ genommen haben, doch unter seinem echten Namen wird der Geiger erst durch Alberts richtig lebendig und möglicherweise doch noch unsterblich. Der vor allem als Krimischriftsteller bekannte Jürgen Alberts hat die Geschichte des norwegischen Geigers jedenfalls recherchiert und spannend erzählt.
„Wie Paganini“ spielt der Ole Bull, sagen die Kritiker, und Bull ist tief beleidigt: Nur „wie“ Paganini – immer der Zweite! Bull ist ein Schwärmer an der Geige: Er liebt das Publikum, das ihn umschwärmt, er liebt die Frauen, die ihn umschwärmen. Aber das ist ihm alles zu wenig. Er gründet das norwegische Nationaltheater, und als das Parlament die finanzielle Unterstüzung verweigert, träumt Bull den Traum vom „richtigen“ freien Norwegen auf einem freien Stück Land in Amerika, Oleana. Bull ist ein mitreißender Träumer, nicht nur an der Geige. Doch die norwegischen Auswanderer, die er mitreißt, müssen hart arbeiten und werden um seinen Traum betrogen.
Als die ersten Bewohner sein Oleana zu verlassen beginnen, phantasiert Ole Bull im Fiebertraum, wie die „längste Hängebrücke der Welt“ sein Oleana zur großen Attraktion macht. Oleana soll zu der Stadt werden, in der es keine Bedrängnisse gibt, keine Sorgen, kein Elend. „New City wird zur Hauptstadt der Töne, überall Musik ...“, schwärmt er.
Doch eines Tages verlässt Ole Bull sein Traumland, er kann das Elend nicht mehr ansehen. Der Satiriker Ditmar Seidell kommentiert diesen Rückzug mit einer Spottballade: „In Oleana ist schon jedermann frei, in Norwegen herrscht noch immer Sklaverei.“
Jürgen Alberts' „Violinkönig“ zeichnet ganz nebenbei auch ein Bild der Musikkultur des 19. Jahrhunderts. „Spohr, der Zuchtmeister der Musik, hat mich in Kassel als Schüler nicht akzeptiert, weil ich über den geschriebenen Noten tanze“, beklagt sich Ole Bull, „weil ich Musik mit Leben erfülle ...“ Bulls kleine Kompositionen sind gefällige Stücke, die das Publikum mitreißen, wenn er „aufspielt“. Penetrant benutzt Alberts dieses Wort, das seinen „Violinkönig“ zum Caféhaus-Musiker degradiert.
Der österreichische Musikkritiker Eduard Hanslick machte sich über die „Tricks“ des norwegischen Geigers her. Der Romantiker Bull kontert, dass es Leute gebe, „die behaupten, dass Musik Sünde sei“: „Ja, es gibt sogar welche, die sagen, bei der Hochzeit von Kanaan habe Jesus nicht Wasser zu Wein, sondern zu Fruchtsaft verwandelt“. Aber irgendwie war ihm sein weltumspannender Erfolg nicht genug, Unsterbliches wollte er schaffen – und ging daran zugrunde. K.W.
Jürgen Alberts, „Der Violinkönig“, Steidl-Verlag, Göttingen, 38 Mark. Bremer Buchpremiere am Mittwoch, 25. Oktober, 20 Uhr in der Stadtwaage, Langenstraße 13, mit Jürgen Alberts und dem norwegischen Geiger Nils rland
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