Shoppen und Quatschen

„Mobile Commerce“, der Handel per Handy, gilt als Markt der Zukunft. In der Branche tummeln sich immer mehr Start-up-Unternehmen aus Berlin. Eine der größten Firmen entsteht jetzt in Kreuzberg

von RICHARD ROTHER

Berlin mausert sich nicht nur zur klassischen Internet-Start-up-Hauptstadt, jetzt gewinnen auch mobile Internet-Dienstleister immer mehr an Bedeutung. Mit der Jamba AG ist gestern in Kreuzberg eines der größten Unternehmen gegründet worden, die das Internet aufs Handy bringen. Die Idee: In wenigen Jahren sollen die Kunden all das, was sie heute vom PC im Internet machen können, mit ihrem Handy erledigen können – Aktienkurse abfragen, Musikvideos anschauen, Bankgeschäfte abwickeln, Kulturprogramme abrufen. Die neuen Mobilfunkstandards GPRS und UMTS werden dabei Schritt für Schritt für eine ähnlich hohe Qualität wie im Festnetz sorgen.

Neu an Jamba ist die strategische Partnerschaft mit Unternehmen aus der so genannten Old Economy: Die Mobilfunkfirma Debitel, die Handelskette Media-Saturn und ElectronicPartner sind an Jamba beteiligt. Rund 50 Millionen Mark stecken die Partner zunächst in das Unternehmen. Das Geld soll nicht in Werbung und Marketing fließen, sondern in die technische Entwicklung.

Jamba will von Berlin aus den europäischen Markt erobern. „In den nächsten drei Jahren wollen wir eines der führenden Portale im mobilen Internet in Deutschland und Europa werden“, sagte Firmengründer Alexander Samwer gestern. Dass Geld dabei nicht die erste Rolle spielt, machte Debitel-Chef Peter Wagner gestern deutlich: „Wir werden nicht kleckern, sondern klotzen.“

Jamba hat den Standort Berlin bewusst gewählt. Zwar seien die Fördermöglichkeiten in München besser als in der Hauptstadt, betonte ein Jamba-Sprecher. „Berlin ist aber einfach netter.“ Hier gebe es eine aktive Gründerszene, ein großes Potenzial an qualifizierten Arbeitskräften und günstige Gewerbemieten. In der Kreuzberger Jamba-Fabriketage mit Spreeblick arbeiten zunächst 40 Beschäftigte.

In Berlin tummeln sich bereits einige Start-ups, die sich auf das mobile Internet-Geschäft spezialisiert haben: Pinuts und Linkedwith stellen Programmier-Know-how für den Mobile-Commerce zur Verfügung, Citikey baut ein virtuelles Informationssystem mit integriertem Stadtplan für WAP-Handys auf, Bedhunter vertreibt Hotelbetten, Mietwagen und Flugtickets über Handys.

Ende Mai wurde in Berlin mit der Initiative Mobiles Netz (IMN) der erste Branchenverband von Unternehmen gegründet, die mobile Internetdienste anbieten. „Im Moment gibt es in Münchener zwar mehr M-Commerce-Unternehmen, aber durch die Jamba-Gründung kann man in Berlin einen Push bekommen“, sagte IMN-Sprecher Markus Göbel. Das kapitalkräftige Unternehmen könne einige andere Dienstleister anziehen.

Der Sprecher der Wirtschaftsverwaltung, Michael Wehran, begrüßte die Firmengründung. „Das Jamba-Engagement zeigt, wie attraktiv Berlin im Bereich Neue Medien geworden ist.“ Hier gebe es große Beschäftigungspotenziale. Darüber hinaus entwickel sich Berlin zu einem Kompetenzzentrum im Mobilfunkbereich. Wehran verwies auf die Forschungsaktivitäten von Siemens und Motorola. Der US-Handy-Hersteller hat kürzlich 500 Millionen Mark in eine neues Werk in Tempelhof investiert.

Der Medienbeauftragte der IG Medien, Matthias von Fintel, zeigte sich etwas skeptischer. Durch den Ausbau von E- oder M-Commerce entstünden nur neue Vertriebswege – dementsprechend seien durch Rationalisierung Arbeitsplätze in den traditionellen Handelshäusern gefährdet, sagte der Gewerkschafter. Zudem seien die Jobs in den New-Economy-Firmen häufig sehr unsicher und mit vielen Überstunden verbunden.