Die Meister des Masterplans Rad

Die Grünen wollen einen breiten gesellschaftlichen Konsens, um den Fahrradverkehr in Deutschland zu fördern. Vorbildlicher Niederländer warnt: Dazu müssen die Bedingungen für Autos verschlechtert werden. Grüne bleiben erst mal vorsichtig

von THORSTEN DENKLER

Geht es ums Fahrrad, sind sich alle einig: Es ist umweltfreundlich, preiswert, gesundheitsfördernd und – zumindest auf Kurzstrecken bis fünf Kilometer – schneller als Auto, Bus oder Bahn. Dennoch hat das Velo in Deutschland nur einen Anteil von 12 Prozent am Gesamtverkehrsaufkommen. Die Niederlande liegen da mit 27 Prozent weit vorne – und das nicht nur, weil es dort flach ist.

Um den Radverkehr in Deutschland zu fördern, will die Grüne Bundestagsfraktion jetzt nach niederländischem Vorbild einen Masterplan Rad formulieren. Am Montag hatte deshalb der grüne Abgeordnete Winfried Hermann Fachverbände und Fahrradexperten zu einer Tagung in den Reichstag geladen. Sie sollten diskutieren, ob Deutschland einen Masterplan braucht. Ergebnis nach fünfstündiger Sitzung: Ja. Nur – was will ein Masterplan?

Ton Welleman, inzwischen pensionierter Direktor der Abteilung Personenverkehr im Den Haager Verkehrsministerium, hat diese Frage für die Niederlande geklärt: Am Anfang steht eine Vision, ein Ziel, und die Einsicht, das Fahrrad als integralen Bestandteil bei der Lösung von Verkehrsproblemen zu begreifen. Seit 1992 festgeschriebene Ziele bis 2010 sind: die Zahl der Personenkilometer auf dem Rad um 30 Prozent steigern, 15 Prozent mehr Verkehr auf die Schiene bringen durch eine bessere Verknüpfung des öffentlichen Personennahverkehrs mit dem Rad, durch bessere Radwege und Velorouten die Zahl der getöteten und verletzten Radfahrer um 50 beziehungsweise 40 Prozent verringern und durch verbesserte Parkmöglichkeiten den Fahrraddiebstahl eindämmen. Bei allen verkehrspolitischen Entscheidungen auf Landes-, Provinz- und Gemeideebene werden diese Ziele berücksichtigt.

Die Grünen wollen das alles auch, möglichst im Konsens. Alle Bundestagsparteien sollen ins Boot, die Länder und vor allem die Städte und Gemeinden. Ton Welleman warnt bei so viel Konsens vor allzu großen Erwartungen. „Es reicht nicht, die Bedingungen für das Fahrrad besser zu machen. Sie müssen auch die Bedingungen für das Auto verschlechtern.“ Das bedeutet etwa konsequente Parkraumbewirtschaftung, Verringerung von Parkflächen für Autos zugunsten von Radstellpläzen und den Rückbau von Straßen für neue und sichere Radwege. Welleman: „Man muss unpopuläre Entscheidungen fällen.“ Er plädiert deshalb für ein zentralistisches Vorgehen.

Das allerdings wird schwierig. In vielen Städten kämpfen die Einzelhändler mit harten Bandagen um jeden Parkplatz für ihre Kunden. In Nordrhein-Westfalen, das bisher als Musterland in Sachen Radverkehr galt, haben nach den Siegen der Christdemokraten bei den Kommunalwahlen 1999 viele Städte die Radkonzepte ihrer rot-grünen Vorgänger wieder gekippt.

Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, wollte auf der Tagung von einem Konfrontationskurs nichts wissen. „Wenn wir jetzt schon mit Maximalforderungen an die Sache gehen, erreichen wir gar nichts.“

Er und sein Kollege Winfried Hermann haben ein gemeinsames Diskussionspapier „Für eine offensive Fahhradpolitik in Deutschland“ vorgelegt. Darin fordern sie die Erhöhung des Radverkehrs in Deutschland von 12 auf 20 Prozent, die Verlagerung von 20 bis 30 Prozent aller Autofahrten unter fünf Kilometer auf das Rad.

Potential dafür hat das Rad genug. Das hat auch die Bundesregierung in ihrem ersten Fahrradbericht vom Mai dieses Jahres festgestellt. Beispiel Troisdorf. Hier kostete der Bau einer 1,9 Kilometer langen Entlastungsstraße etwa 27 Millionen Mark. Der gleiche Betrag hat ausgereicht, um die Stadt in den letzten acht Jahren fahrradfreundlich umzugestalten. Den Troisdorfern gelang, wovon andere Städte nur Träumen: Der Radverkehrsanteil stieg um 5 auf 21 Prozent. Der Autoverkehr sank um den gleichen Anteil.

Weitere Infos: www.vcd.org