Das Paradies in seiner Dandy-Version

Ginge er ins Kino, Gott wäre ein Fan João César Monteiros. Denn wie kein anderer setzt der portugiesische Regisseur die Schöpfung – auch in seinem neuesten Film „Deus’ Hochzeit“ – in ihrer ganz beiläufigen Schönheit so tiefenscharf ins Bild

von KATJA NICODEMUS

Wenn der Herrgott ins Kino ginge, würde er sich in den Filmen von João César Monteiro am wohlsten fühlen. Nicht, dass sie auch nur im Entferntesten religiös wären, Monteiro ist überzeugter Atheist, und seine Werke wimmeln von fäkalblasphemischen Schüttelreimen, Nonnenwitzen, sadotheologischen Aphorismen etc. Gott wäre Monteiro-Fan, weil kein anderer Regisseur auf der Welt die Schöpfung so klar und tiefenscharf in ihrer ganzen beiläufigen Schönheit ins Bild setzt.

Schönheit, das bedeutet dabei für Monteiro vor alle attraktive junge Frauen, deren einzelne Schamhaare er in seinen letzten Filmen mit enzyklopädischer Hingabe sammelt. Aber man wundert sich auch, wie ein banales Stückchen Seeufer mit knorrigem Baum zu Beginn seines neuen Films so schön aussehen kann, wo doch Monteiros Kamera nichts weiter anstellt, als stillzustehen und der Welt den Rahmen zu geben.

In diesen Rahmen spaziert nun zum Beispiel ein älterer Herr (gespielt von Monteiro selbst), der anscheinend ein einsames Picknick veranstalten will, dann aber alle Häppchen nacheinander in den See wirft. Später kommt noch ein Typ mit blendend weißer Kapitänsuniform vorbei, ein Abgesandter Gottes, der dem dünnen Männlein einen Koffer voller Geld überreicht. So einfach kann man in einem Monteiro-Film zum reichsten und mächtigsten Mann der Welt werden.

Derart ausgestattet setzt João de Deus, der neue Stellvertreter Gottes auf Erden, nun so etwas wie die abendländische Dandy-Version des Paradieses um: mit einem gediegenen alten Palazzo und luxuriösen Limousinen, gepflegten Gartenanlagen, dem stilvollen Genuss der besten Weine, Zigarren etc. Das hat nichts Pompöses, Ausgestelltes, alles ist einfach da und wird auch dem Zuschauer zum Genuss angeboten. „Ihr, die ihr in dieses Paradies eintretet, lasst alle Hoffnung fahren“, heißt es einmal frei nach Dante. Tatsächlich ist Monteiros gelassener Hedonismus das genaue Gegenteil der transzendenten christlichen Glücksversprechungen. Wozu hoffen oder warten, wenn doch alles schon da ist? Später, wenn sein Filmcharakter verarmt im Gefängnis landet, wird ein weiteres einzelnes weibliches Schamhaar zum Inbegriff all der Schönheit, die es in Ruhe zu betrachten gilt.

Das wahre Paradies ist ohnehin das völlig unzeitgemäße Zeitempfinden dieses Films . „A bodas de Deus“ – Deus’ Hochzeit“ scheint aus der linearen Zeit gefallen, um seine eigene Dauer zu etablieren. Die Dauer, die es etwa braucht, um eine alte Mauer so lange zu filmen, bis aus den verschiedenen Grüntönen des Mooses ein abstraktes Bild entsteht. Die nächtliche Dauer einer existentiellen Pokerpartie, nach der am nächsten Tag die Börse schwanken und eine Frau den Mann wechseln wird. Oder auch die fast unerträgliche Dauer eines halben Geschlechtsaktes. Wie der nackte magere Monteiro, dieses hässliche, abstoßende Gerippe, ausgiebig zwischen den Beinen einer jungen Frau herumfuhrwerkt, ist eben auch ein Kommentar zur Dauer des Körpers – faltige Haut und schlaffes Fleisch auf weißen Brüsten als gnadenlose Performance der Vergänglichkeit. Ungewohnt ist die ungeheure Freiheit und die Zeit, die sich dieses Kino bei der Betrachtung der Welt nimmt. Aber die Welt ist bei Monteiro ja ohnehin die Einstellung, und jedes Bild könnte in aller Ruhe bis zum Ende der Ewigkeit dauern.

Natürlich ist Monteiros exzentrische Deus-Figur rein theoretische Konstruktion, am ehesten wohl Paul Celans Wanderer durch Welten und Jahrhunderte verwandt. Ein zeitloser Verehrer des Daseins und der Dinge, der den Widersinn der Welt mit Zitaten quer durch die Literaturgeschichte hinterfragt, ein anarchischer Guru des Genusses, der, egal wann und wo er zum nächsten Mal vom Himmel fällt oder in einen Bildrahmen hineinspaziert, sofort wieder die Suche nach dem nächsten Schamhaar beginnen wird.

„Deus’ Hochzeit“. Regie: João César Monteiro. Mit João César Monteiro, Joana Azevedo, José Airosa, Manuela de Freitas u. a. Portugal 1998, 150 Min.