Spannender als Hoeneß

Bei Werder-Bayern redeten erst alle über den Bayern-Manager – doch dann war das Spiel doch interessanter / Kellerkinder gegen Spitzenreiter 1:1 ■ Von Jochen Grabler

Fußball? Wen interessiert schon Fußball? „Hier Fischer!“, hatte der Anrufer ins Telefon geraunzt, „Fischer von Werder!“ Und schon waren die Kollegen von der Hansawelle hellwach – obwohl's doch noch so früh am Freitag war. Die Hörer hatten anrufen dürfen, um vor dem Spiel gegen die Bayern „Uli Hoeneß mal zu sagen, was sie ihm immer schon mal sagen wollten.“ Und dann das! Der schlecht gelaunte Werder-Vorstand höchstpersönlich! Er wäre froh, wenn das Thema endlich mal durch wäre und man sich wieder über Sport unterhalten könne, donnerte der.

Sie waren genervt, die Werder-Oberen, von Daum und Hoeneß und Lemke und wer was wie gemeint hatte und warum sich wer bei wem entschuldigen sollte. Sie wollten das Thema endlich beenden. Doch an der Inszenierung vom Bremer Samstagnachmittag wäre jede Blauhelmbrigade gescheitert: Kaum erschien der Charakterkopf des Bayern-Managers auf den Stadion-Bildschirmen, erhob sich ein wahrer Orkan von Schmähgesängen und Pfiffen. Und Hoeneß? Ging natürlich nicht im restlichen Bayern-Tross, sondern schlenderte quer über den Rasen. Der Mann pflegt nicht nur seinen Ruf, er genießt ihn auch. Wen interessiert schon Fußball, wenn das Beiprogramm so unterhaltsam ist?

Die vielleicht erstaunliche Antwort: ziemlich viele. Denn kaum hatte die Fotografenmeute vom Bayern-Manager abgelassen, kaum rollte der Ball, war von derart wüs-ten Fangesängen nichts mehr zu hören – trotz aller Mühe der Bayern-Fans: „Wir grüßen Daums Koksfreund Willi L.“, hatten sie in Riesenlettern auf ein Transparent gemalt – doch ohne sonderlich lautstarken Effekt. Dafür war das Spiel dann doch zu spannend.

Allemal spannender als die bremisch-bajuwarischen Begegnungen der letzten vier Jahre. Die endeten nämlich immer mit einem deutlichen und verdienten Sieg der Südländer. Diesmal nicht, trotz der tabellarischen Welten, die beide Mannschaften trennen. So domi-nant die Bayern in der zweiten Halbzeit auch waren, in den ersten 45 Minuten konnten die Bremer Kellerkinder spielerisch und in den zweiten immer noch kämpferisch mit- und gegenhalten. Am 1:1 war am Ende nichts auszusetzen, außer vielleicht, dass beide Teams große Chancen ungenutzt gelassen hatten. Ein Leiden, das man bei Werder eh kennt, das die Bayern in der Vergangenheit aber gerade nicht geplagt hatte.

„Wir brauchen immer noch zu viele Chancen“, klagten hernach auch unisono Mehmet Scholl und sein Übungsleiter Hitzfeld. Die Anfangs-Offensivabteilung mit Sergio, Elber und Salihamidzic war zwar munter, aber nicht sonderlich effektiv. Das 1:0 bereits nach sechs Minuten fiel zwar nach einer artistischen und attraktiven Einlage Sergios, aber aus ziemlich abseitsverdächtiger Position. Und die kurz vor Ultimo eingewechselten Zickler und Jancker hätten zwar noch den Siegtreffer erzielen können – allein, sie taten's nicht, trotz bester Einschussmöglichkeiten. So kennt man die Bayern gar nicht.

Die Bremer dagegen schon eher. Da schiebt Bode gerne am langen Pfosten vorbei, Ailton rutscht aus, bevor er den tödlichen Pass erreicht, und irgendwer anders findet sich sowieso immer, der vor dem gegnerischen Tor den Sekundenbruchteil zu spät zum Einlochen kommt. Ein Segen, dass der heranstürmende Bode in der elften Minute von Kahn von den Füßen geholt wurde. So konnte Ailton unfallfrei zum Elfmeter anlaufen. 1:1. Danach hatten sie ihre Chancen, hüben wie drüben – und sie vergaben sie, die einen wie die anderen.

Ein Unentschieden gegen die Bayern – immerhin, nicht schlecht gespielt – na bitte, ein starker Herzog – geht doch, Bode mit aufsteigender Form – na also, Frings auf dem Weg der Besserung ... Man könnte die Liste der positiven Entwicklungen bei Werder noch länger machen, wenn man wollte. Vermutlich hat Thomas Schaaf Recht, wenn er seine Combo nicht schlechter bewertet als beispielsweise die Schalker. Was allerdings nur noch einmal illustriert, wie eng der Liga-Mittelbau auch in dieser Spielzeit beieinander ist. So schnell die UEFA-Cup-Ränge erreicht sind, so flugs kann ein Team in der Abstiegszone festklemmen. Den Ausschlag geben kleine Stärken – oder eben kleine Schwächen. Wie beim Abschluss. Oder wie im Werder-Tor. Frank Rost, auch das muss mal gesagt werden, ist in dieser Saison bislang alles andere als der gewohnt sichere Rückhalt. Dreimal flog am Samstag eine Bayern-Flanke in den Bremer Fünfmeterraum, ohne dass der Werder-Keeper auch nur gezuckt hätte. Dafür brüllt er aber reichlich lautstark die Kollegen an. Besonders Erfolg versprechend sieht das nicht aus.

Und trotzdem hat sich Werder vorerst aus der Abstiegszone verabschiedet. Und hat gegen den alten Rivalen Bayern endlich mal nicht verloren. Nach einem munteren Spiel. Das ist doch was. Hoe-neß? Hat da keinen mehr interessiert.