Integration auf Holländisch

In Deutschland gibt es bis heute keine klaren Integrationskonzepte für Neuzuwanderer. Ein Blick in die Niederlande zeigt, wie ein erfolgversprechendes Eingliederungsprogramm mit gegenseitigen Rechten und Pflichten aussehen kann

von VERONIKA KABIS-ALAMBA

Über den Reformbedarf bei der öffentlichen Sprachförderung für MigrantInnen in Deutschland wird schon längere Zeit diskutiert. Die Fördertöpfe sind bislang auf mehrere Bundesministerien aufgeteilt: Die einen bedienen Aussiedler, die anderen Asylberechtigte, wieder andere ausländische Arbeitnehmer. Viele Zuwanderer werden gar nicht erreicht. Und auch die Ergebnisse lassen bisweilen zu wünschen übrig, wie das häufige Scheitern am Sprachtest bei Einbürgerungsanträgen neuerdings vermuten lässt.

Die baden-württembergische Landesregierung hat nun angekündigt, einen Gesetzentwurf im Bundesrat einzubringen, wonach MigrantInnen unter Androhung von Sanktionen zur Teilnahme an Deutsch- und Integrationskursen verpflichtet werden sollen. Dabei wird gleich die große Keule geschwungen: Wer sich weigere, an den Kursen teilzunehmen oder sie nicht bestehe, riskiere unter bestimmten Umständen seinen Aufenthalt, ist aus Stuttgart zu hören.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Holland. Gänzlich unaufgeregt verlief die Diskussion um bessere Startbedingungen im Aufnahmeland. Vor zwei Jahren hat sie zur Verabschiedung eines Gesetzes geführt, das von der Regierung, dem Verband der niederländischen Gemeinden, der gesellschaftlichen Mitte und den Interessenverbänden von Migranten und Flüchtlingen gleichermaßen getragen wurde. Ausgangspunkt war die Feststellung, dass insbesondere junge Zuwanderer in den Vorstädten keinen Zugang zu Gesellschaft und Arbeitsmarkt mehr finden und sich auf diese Weise neue Gruppen von Unterprivilegierten herausbilden. Ziel des „Gesetzes zur Integration von Neuankömmlingen“ ist es deshalb, mittels eines Integrationsprogrammes die Fähigkeit zur Selbsthilfe der MigrantInnen zu fördern.

Binnen sechs Wochen nach der Einreise ist der Zuwanderer verpflichtet, sich zu einem Gespräch bei seiner Gemeinde anzumelden, bei dem festgestellt wird, wie groß die Gefahr eines gesellschaftlichen Rückstandes ist und an welchen Teilen des Integrationsprogrammes er teilnehmen soll. Aus den erhobenen Daten wird ein individuelles Programm erstellt, das bereits vorhandene Kenntnisse, Vorbildung und Arbeitserfahrung berücksichtigt. Die Gemeinden haben Verträge mit Bildungseinrichtungen abgeschlossen, die das Programm in ihrem Auftrag durchführen. Es umfasst Niederländisch als Zweitsprache, gesellschaftliche und berufliche Orientierung und wird mit einer Prüfung nach spätestens zwölf Monaten abgeschlossen. Der Programmablauf wird individuell betreut. Der Betreuer begleitet den Neuankömmling von Anfang an, hilft ihm bei eventuellen Problemen und sorgt durch Zwischengespräche und Bewertung dafür, dass der Plan jederzeit maßgeschneidert ist. Daneben erfolgt auch eine soziale Betreuung durch haupt- und ehrenamtliche Kräfte, die praktische Unterstützung im täglichen Leben gewährleisten soll.

Nach Abschluss findet ein Gespräch mit einem Vertreter der Bildungseinrichtung und dem Arbeitsamt statt, in dem eine Empfehlung für den weiteren Verlauf gegeben wird. Die Kommunen sorgen für die Umsetzung der empfohlenen Maßnahme. Zielgruppen sind MigrantInnen mit einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung, Zuwanderer aus den Überseegebieten mit niederländischer Staatsbürgerschaft, Asylberechtigte und Flüchtlinge, die ein Bleiberecht aus humanitären Gründen haben. AsylbewerberInnen und Personen mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung können am Gesamtprogramm nicht teilnehmen, dürfen aber – im Unterschied zu Deutschland – zumindest die Sprachkurse besuchen.

Gerard Moeken vom Niederländischen Flüchtlingswerk, das einen großen Teil der Programme durchführt, bewertet den bisherigen Verlauf positiv. Die dezentrale und individuelle Betreuung der Neuzuwanderer habe sich bewährt. Der Vertrag, der zwischen Migrant und Integrationsstelle abgeschlossen werde, beinhaltet Rechte und Pflichten auf beiden Seiten. Wer keine glaubhaften Gründe vorbringt, um am Programm nicht teilzunehmen, muss mit finanziellen Einbußen bei der Sozialhilfe rechnen. Ein Problem sieht Moeken bei der relativ großen Zahl von Frauen, die einen Antrag auf Befreiung von der Teilnahme stellen. Wenn sich herausstellt, dass sie dies nicht freiwillig tun, sondern auf Druck des Ehemannes, werde alles darangesetzt, um sie doch in die Kurse zu bekommen. Das finanzielle Argument wirke dabei durchaus überzeugend.