Ablöse für Fitte

Junge, gesunde Menschen, die die Krankenkasse wechseln, erschüttern das Gesundheitssystem

BERLIN taz■ Die Chefs der gesetzlichen Krankenkassen haben ein Problem: die Massenflucht der Versicherten aus den großen Kassen wie AOK, DAK oder Barmer hin zu den kleinen, beitragsgünstigeren Betriebskassen. Diese Wechsler verursachen große Schwankungen bei den Einnahmen der Kassen. Zum Stichtag Ende Dezember, so erste Schätzungen, werden 1,5 Millionen Mitglieder die Kassen wechseln.

Um den daraus resultierenden Einnahmeverlust bei den großen Kassen zu mildern, schlägt eine Studie der Ersatzkassen und der AOK einen Ausgleich für Kassenwechsler vor. Demnach sollen Kassen, die chronisch kranke Patienten aufnehmen, einen Bonus erhalten. Umgekehrt sollen Kassen für Wechsler, die gesund sind, rund 600 Mark im Jahr an die alte Kasse zahlen. Der Wettbewerb der Kassen ranke sich heute ausschließlich um junge, gesunde Mitglieder, so die Gutachter der Studie Lauterbach und Wille.

Die Fitten schauen aufs Geld und wechseln in preiswerte Kassen. Auf die Konten der Kassen fließen weniger Beitragszahlungen, was sich wiederum auf die Situation von chronisch Kranken, die ihre Kasse nicht wechseln, besonders auswirkt. Die Konkurrenz der kleinen Kassen verhindere bei den großen Kassen, dafür zu sorgen, dass chronisch Kranke ausreichend versorgt werden. In der Folge, so die Sachverständigen, komme es zu regelrechten Unterversorgungen etwa von Diabetikern. Deswegen, so Eberhard Wille von der Uni Mannheim, müsse den Kassen ein finanzieller Anreiz für eine bessere Behandlung geboten werden. Finanziert werden könnte dies über die vorgeschlagene Summe von 600 Mark.

Derzeit regeln die Kassen ihre Einkommensungleichheiten über den Risikostrukturausgleich (RSA). Der Finanztransfer schichtet jährlich 20 Milliarden Mark um. Er soll sicherstellen, dass Kassen, die besonders viele Rentner und beitragsfreie Familienmitglieder versichern, eine faire Wettbewerbschance haben. Der RSA reiche aber in der gegenwärtigen Form nicht mehr aus, so die Experten. ANNETTE ROGALLA