Kreisklasse statt Weltklasse

■ Der Starpianist Alfred Brendel und die Capella Istropolitana boten in der Glocke ein erschreckend schlechtes Konzert

Ich sag's lieber gleich: In der Pause bin ich gegangen. Denn was beim letzten Meisterkonzert die Capella Istropolitana den BremerInnen als die fünfte Sinfonie von Franz Schubert anbot, war noch nicht einmal die einfachste Hausmannskost – und sollte doch, wie der Untertitel der Reihe heißt, „Weltklasse in der Glocke“ sein.

Ein schlecht gespielter, missverstandener Schubert: verhetzt, konturenlos, schludrig die Punktierungen und Artikulationen, schrecklich knallig in der Streicher-Bläser-Balance. Der Dirigent Volker Schmidt-Gertenbach erspürte in einem musikalischen Einheitsbrei nichts von den Atmosphären und Räumen, in die Schubert immer wieder überraschend führt. Die Verwunderung darüber, dass ein unbestreitbarer Weltklassepianist wie Alfred Brendel sich zu dieser Zusammenarbeit entschloss, weicht der nicht sehr schönen Erkenntnis, dass es wahrscheinlich um Geld geht: Das Orchester aus der Slowakei ist ganz einfach sehr billig und Alfred Brendel ist sehr teuer. Für die privatwirftschaftlich planende Agentur also eine akzeptable Kombination, und Alfred Brendel ist es offensichtlich egal, wie er sein Geld verdient.

Schade. Dabei wird Brendel spätestens seit dem Erscheinen seiner Aufsatzsammlung „Nachdenken über Musik“ als „Denker“, als „Grübler“ gefeiert. Doch hat er auch glaubwürdig erklärt, der Ausgangspunkt von Musik seien immer „Emotionen“. Mit solchen versah er, so gut es eben an diesem Abend ging, Beethovens äußerst selten gespielte, von Beethoven selbst als „für keines von meinen besten“ geschätzte zweite Klavierkonzert in B-Dur. Immer wieder gelang es Brendel, mit seiner bohrenden Intensität und seiner drängenden Energie interpretatorische Wunderinseln zu schaffen, die auf das Orchester wie eine Hypnose überzugehen schienen. Aber kaum hatte man so einen Eindruck, war er auch schon wieder vorbei. Und so war diese typisch Brendel'sche Mischung aus glasklaren Strukturen und einschmeichelnder Emotionalität keine helle Freude.

Vielleicht wäre ich ja noch geblieben, wenn irgendwas auf dem Programm gestanden hätte. Aber es war Mozarts späte Sinfonie in g-Moll. Womit sich auch die Frage nach der Selbsteinschätzung von Volker Schmidt-Gertenbach und der Capella stellt. usl