Chancen und Risiken
: Gen und was nun?

■ Die CDU zwischen christlicher Ethik, Krebstherapien und Börsenkapital

Die Einladungsliste der CDU reichte von der Jugend-forscht-Truppe bis zum SeniorInnen-Zirkel und sollte alle erreichen, die über Gentechnik was lernen wollten. Und sie kamen: 200 Stühle – bestückt mit jeweils zwei CDU-Bonbons und einer Tüte Tempos („gegen rot-grüne Nasen“) – reichten für die geninteressierten BremerInnen längst nicht aus. Mindestens 50 Stühle mussten für die zweieinhalbstündige Diskussion rund um die Standard-Floskel „Risiken und Chancen der Gentechnik“ nachgeordert werden.

Gentechnik ist das Thema, das sich die Bremer CDU ab sofort auf die Fahnen schreibt: Auf dem Landesparteitag soll ein Antrag („Nutzung der Gentechnologie ja – aber auf ethisch verantwortbare Weise“) debattiert werden. Außerdem soll ein kleiner Parteitag demnächst die Position der CDU zwischen christlichen Bedenken und wirtschaftlichem Wollen klären. Damit „wir nicht zu lange über die Risiken reden, bis die Chancen verfallen sind“, meinte Finanzsenator Hartmut Perschau.

Ethische Knackpunkte wurden auf der Diskussionsveranstaltung aber nicht einmal gestreift. Vorrangig ging es um Krebstherapien mit Hilfe der Gentechnik – nicht etwa um geklonte Tiere. Denn gegen wirksame Krebstherapien könne doch kaum jemand etwas haben, erklärten beide Referenten: Hans Lehrach, Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik, und Jörn Bullerdiek, Leiter des Zentrums für Humangenetik der Uni Bremen.

Die meisten interessierte aber die Frage nach den „Grenzen der Wissenschaft“. Pragmatische Antworten blieben die beiden Referenten allerdings weitgehend schuldig. „Jeder Betroffene soll selbst entscheiden“, was er mit seinem Genmaterial macht, meint etwa Hans Lehrach. Gesetze fordert er nur soweit, als dass es ein „Recht auf Nichtwissen“ geben sollte, sprich: Keiner darf dazu verpflichtet werden, genetische Untersuchungen über sich ergehen zu lassen. Und solche Informationen dürften niemals an Versicherungen sowie Arbeitgeber weitergegeben werden.

Im nationalen Rahmen allein hätten Gesetze aber kaum Folgewirkung, bekannte Jörn Bullerdiek. „Solange in den Niederlanden Sachen erlaubt sind“, mache ein deutscher Sonderweg keinen Sinn. „Die Normensetzung muss das ganze europäische Ausland erreichen.“

Strittig im Publikum war einzig, wie viel sich der Staat die Verantwortung bei der Forschung kosten lassen soll? Für Professor Lehrach eine klare Sache: An Krebs stirbt rund ein Drittel der Menschen, aber anststatt Geld für Therapieforschung mittels Gentechnik auszugeben, fördere der Staat Raumfahrtprojekte. Vor allem die Grundlagenforschung zu seltenen Krankheiten, die die großen Pharmafirmen nicht interessiere, müsse der Staat mit Zuschüssen sichern. Dieser Meinung ist auch Bullerdiek: Grundlagen müssten frei verfügbar bleiben und dürften nicht unter Verschluss in privaten Instituten entwickelt werden.

Die Reaktionen auf beide Fachvorträge: „Interessant“, so die meisten. Aber: Für Ängste und Unsicherheiten war kein Platz. Das kann nachgeholt werden – die CDU plant Folgeveranstaltungen. pipe