Britische Kriegsvorbereitungen in Sierra Leone

Großbritannien verstärkt massiv sein militärisches Engagement, während die UN-Mission trotz Appellen von Kofi Annan weiter in der Krise steckt

BERLIN taz ■ Großbritannien verstärkt sein militärisches Engagement in Sierra Leone. Verteidigungsminister Geoff Hoon kündigte am Montag die Entsendung einer 500 Mann starken Marineeinheit auf mehreren Kriegsschiffen in die Küstengewässer vor dem westafrikanischen Land im Laufe des Novembers an. Sie sollen den eventuellen Einsatz einer schnellen Eingreiftruppe vorbereiten. Zuvor hatte Großbritannien angekündigt, 5.000 Soldaten in Alarmbereitschaft für einen Kampfeinsatz in Sierra Leone zu versetzen, und die Zahl der britischen Bodentruppen in Sierra Leone von rund 250 auf 400 erhöht. Nach sierra-leonischen Zeitungsberichten werden 250 weitere erwartet.

Großbritannien hatte im Mai mit über 1.000 Soldaten in Sierra Leone eingegriffen, als die 12.500 Mann starke UN-Blauhelmmission im Land unter Angriffen der Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front) zusammenzubrechen drohte und daher die Stabilität der sierra-leonischen Regierung gefährdet schien. Im Juni waren die Briten bis auf einen Rest von etwa 240 Mann, der faktisch die sierra-leonische Regierungsarmee kommandiert, wieder abgezogen.

Hintergrund des neuen britischen Engagements ist die fortdauernde Schwächung der UNO in Sierra Leone. Die seit Monaten von UN-Generalsekretär Kofi Annan geforderte Verstärkung der Blauhelmmission auf 20.500 Mann fand bisher nicht statt; stattdessen wollen Indien und Jordanien ihre Kontingente bis Jahresende abziehen. Der versprochene Ersatz aus Bangladesch, Ghana und der Ukraine entspricht kaum dem Wunsch des UN-Hauptquartiers, die UN-Truppe zu einer kampffähigen Streitmacht auszubauen. In seinem jüngsten Lagebericht forderte Kofi Annan am Mittwoch erneut „Mitgliedstaaten mit großen und gut ausgerüsteten Streitkräften“ auf, eine Beteiligung an der UN-Truppe in Sierra Leone „dringend zu erwägen“.

Das britische Engagement kommt der UNO nicht unmittelbar zugute, da die Briten unter nationalem Kommando operieren. Am Dienstag wurde jedoch der Brite Alastair Duncan zum Stabschef der Blauhelmtruppe ernannt. Duncan, ein Brigadegeneral mit Bosnienerfahrung, wird unter dem neuen Kommandanten der UN-Truppe dienen, dem Kenianer Daniel Ishmal Opande. Letzterer ist nicht unumstritten: Exilliberianer werfen ihm vor, in den 90er-Jahren als UN-Offizier in Liberia mit dem heutigen liberianischen Präsidenten Charles Taylor paktiert zu haben, der als Pate der RUF-Rebellen gilt. Sollte Opande deswegen in die Kritik geraten, wäre Duncan der faktische Herr über die Blauhelme.

DOMINIC JOHNSON