Kultur gegen Kälte

Seit drei Jahren spielt, singt und liest die Mission gegen die Obdachlosigkeit an. Eine Fotoreportage  ■ Von Markus Scholz

Die Mission feiert an diesem Wochenende Geburtstag. Seit drei Jahren kämpft sie mit, so das Motto, „Suppe und Kultur gegen die Kälte“, anfangs in der Nähe des Hauptbahnhofs, seit zwei Jahren in ihren Räumen in der Kaiser-Wilhelm-Straße 81. Das Projekt ist entstanden aus Christoph Schlingensiefs Aktion „Sieben Tage Notruf“, bekam dann aber sehr schnell eine Eigendynamik. Heute arbeiten sechs Menschen ehrenamtlich in dieser Obdachlosen-Initiative. Sie organisieren von Donnerstag bis Sonntag Konzerte, Filme oder Lesungen für ihre Besucher, die vom herkömmlichen Kulturbetrieb weitgehend abgeschnitten sind. Die taz sprach mit Rudi und Bernd von der Mission.

taz hamburg: Suppe zu verteilen leuchtet ein. Warum aber legt ihr so großen Wert auf den kulturellen Aspekt?

Rudi: Wenn du nach Hause kommst, machst du erst einmal den Fernseher an. Du gehst ins Kino oder ins Theater. Obdachlosen bleibt all das verwehrt. Wenn sich im Kino einer von uns neben dich setzt, dann gehst du raus. Ich kenne einige, bei denen würdest du das auf jeden Fall tun. Außerdem haben Obdachlose einfach kein Wohnzimmer, wo sie ein ein Fernsehgerät aufstellen könnten.

Bernd: Es heißt ja: Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein. Ein Obdachloser hat fast keinen Zugang zu den Kulturveranstaltungen in dieser Stadt.

Rudi: Darum haben wir beschlossen und in unserer Satzung verankert, dass wir nicht nur Essen ausgeben, sondern auch Veranstaltungen durchführen. Am Anfang geschah das Ganze noch in Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Schauspielhaus, HH 19 und auch der taz, die Patenschaften für die Abende übernommen haben. Das ist irgendwann ausgelaufen und wir haben gesagt: Wir arbeiten mit niemandem mehr zusammen und organisieren das ganz allein.

taz hamburg: Die Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus war sehr eng. Der Intendant Frank Baumbauer hat sich ja voll dem Projekt Mission verschrieben. Läuft das auch mit seinem Nachfolger Tom Stromberg so weiter?

Rudi: Wir haben ihn zwei Mal angeschrieben, haben aber noch nichts von ihm gehört. So wie das aussieht werden wir wohl nicht weiter mit denen zusammenarbeiten.

Bernd: Die ganzen Schauspieler, Regisseure und Regieassistenten, die uns unterstützt haben, sind auch alle nicht mehr da. Da müss-ten wir ganz neue Kontakte aufbauen. Aber vielleicht sind das ja auch nur die Anlaufschwierigkeiten von Herrn Stromberg. Man liest ja auch in den Kritiken über die neuen Stücke, dass die nicht so toll ankommen. Vielleicht kommt er ja noch auf uns zu.

taz hamburg: Oder Hamburg muss sich erst an den neuen Stil gewöhnen, bis die Leute kommen. So ein Problem habt ihr an euren Abenden ja nicht.

Rudi: Nein, in der Tat. Bei uns bleiben die Leute da, egal ob ihnen gefällt was geboten wird oder ob nicht. Du kannst zu Hause den Fernseher einfach ausschalten, wenn dir etwas nicht gefällt. Wenn bei uns jemand das Programm nicht mag und draußen ist es kalt und regnet, dann überlegt er sich trotzdem zweimal, ob er geht oder lieber im Warmen bleibt.

taz hamburg: Welche Programme kommen denn erfahrungsgemäß besonders gut an?

Bernd: Das ist ganz unterschiedlich. Wir wissen das vorher auch nie. Am besten ist es immer, wenn sich die Künstler auf uns vorbereiten und sich Gedanken machen, vor wem sie da eigentlich auftreten.

Rudi: Es kommt auch vor, dass jemand ausgebuht wird. Und zwar richtig. Dafür wissen die Leute auch, dass der Applaus von Herzen kommt. Alle treten ohne Gage auf und die Besucher zahlen auch keinen Eintritt. Die müssen nicht sagen: Ich habe bezahlt, das muss mir gefallen.

Interview: Eberhard Spohd