: Suche: +Linux +Schule +Bremen
■ Bremen spricht Microsoft: 3.000 Lehrer werden mit teurer Software an die Computer-Nutzung herangeführt. Keine gute Idee, findet der Linux-Experte Peter Ganten
Die Bremer Wissenschaftsbehörde hat eine Weiterbildungsoffensive für Lehrer gestartet: 3.000 Bremer Lehrer sollen auf den Einsatz von Computern im Unterricht vorbereitet werden. Derzeit werden die ersten 30 „Master-Teacher“ ausgebildet, die dann ihre Kenntnisse an andere Lehrer weitertragen sollen. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem weltweit größten Chip-Hersteller INTEL und mit Bill Gates Microsoft-Konzern realisiert. Die Lehrer müssen sich für 50 Mark ein Lern-Software-Paket kaufen. Nicht besonders zukunftsfähig, findet der Linux-Experte Peter Ganten: Die nächste Generation wird sich nicht mehr nur an Microsoft-Software halten wollen.
taz: Macht diese Schulung aus Ihrer Sicht Sinn?
Peter Ganten: Ich habe mir das Schulungsprogramm angeschaut. Da wird ausschließlich auf Microsoft-Produkten geschult. Auf dem Programm stehen zum Beispiel MS Winword, MS Excel, MS PowerPoint und was Microsoft noch so alles zu bieten hat. Dazu kommt, dass nicht nur die Microsoft Office-Produkte propagiert werden, sondern auch die wissensbasierten Angebote: MS Encarta zum Beispiel ist ein Lexikonprogramm mit Ton- und Bildsequenzen. Microsoft hat die Rechte für die Inhalte dieser Lexika. So kann der Konzern auch kontrollieren, wie und welche Inhalte dargestellt werden.
Was ist daran so bedenklich?
Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine schnelle, einfache Lösung. Aber langfristig begibt man sich nicht nur in Software-Fragen in die Abhängigkeit eines großen Konzerns, sondern auch inhaltlich. Die Gefahr besteht, dass ein sehr einseitiges Wissen vermittelt wird: Sowohl an die Lehrer, als auch an die Schüler. Linux wird sich durchsetzen. Und dann wird es in Bremen weniger Menschen geben, die gut ausgebildet mit dieser Software umgehen könne. Das bedeutet also: Von Bremen aus werden weniger Innovationen ausgehen, als von Orten, die der Open Source Software einen größeren Stellenwert einräumen.
Erst mal ist es doch schön, dass Lehrer sich mit Computern zu beschäftigen lernen ...
Ja. Der Senat hat scheinbar endlich begriffen, dass Lehrer EDV-Schulungen brauchen. Problematisch ist, dass eine Software geschult wird, die den Schülern nicht mehr die Möglichkeit gibt, kreativ damit umzugehen. Microsoft-Produkte sind geschlossene Systeme, mit denen man tun kann, was Microsoft vorgibt. Doch da ist bereits Schluss. Es gibt also auch nicht die Möglichkeit, wirklich zu verstehen, was die Programme machen. Für den kreativen und verantwortungsvollen Einsatz dieser Medien müssen Schüler aber verstehen lernen, was in einem Rechner eigentlich vorgeht. Sich in Menüs herumzuklicken, reicht nicht aus.
Was für Alternativen böten sich denn an?
Es könnten Open Source Systeme wie zum Beispiel Linux eingesetzt werden. Nicht nur die Schulungsprogramme, auch die in der Schule zu verwendende Software wäre kostenlos. Und Linux ist kein geschlossenes System wie Microsoft, weil weltweit die Programmierer die Quellcodes einsehen und verbessern können. Mit Open Source Software könnte den Lehrern ebenso gut der Umgang mit Computern nahe gebracht werden.
Ist Linux geeignet für Lehrer, die sich bislang nur wenig mit Computern beschäftigt haben?
Das Vorurteil lautet, dass es schwieriger ist – aber das ist schlicht falsch. Sicher: Wenn jemand jahrelang mit Microsoft gearbeitet hat, muss er sich umstellen. Aber wenn jemand von vorne anfängt, ist das die einmalige Chance, gleich mit dem zukunftsträchtigeren System zu arbeiten. Moderne Linux-Distributionen lassen sich sogar leichter installieren und bedienen, als Windows: Sie legen die CD ein, beantworten drei bis vier Fragen und haben danach einen komplett eingerichteten Rechner mit allen möglichen Anwendungsprogrammen. Und: In Schulen ist Open Source sinnvoller, weil es sich besser administrieren lässt. Ein oft genannter Nachteil: Die Lernprogramme der meisten Lehrbuchverlage laufen auf Windows. Aber mit der entsprechenden Linux-Software lassen sich diese Programme ohne weiteres anwenden.
Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) hat in der Bürgerschaft gesagt, der verstärkte Einsatz von Open Source Software in Schulen sei von ihm „ausdrücklich erwünscht“. Nur eine Sonntagsrede?
Eine Förderung ist mir nicht bekannt. Ich weiß, dass viele Lehrer und auch Mitarbeiter in der Bildungsbehörde Linux einsetzen – allerdings bisher fast nur im Bereich der Netzinfrastruktur und der Server-Systeme. Von Beispielen mit Arbeitsplatzrechnern ist mir nichts bekannt.
Hat Linux eine Lobby in Bremen?
Auf Bundesebene geht das so langsam los – der Linux-Verband ist derzeit der prominenteste Zusammenschluss von Linux-Firmen in Deutschland. Aber in Bremen gibt es so etwas - abgesehen von unserer Linux-Usergroup – nicht. Und verglichen mit der Lobby und der Finanzkraft großer Softwareunternehmen schon gar nicht. Dennoch ist es überraschend, wie viele engagierte Schüler und Lehrer sich für Linux entscheiden, wenn sie ein System einrichten. Ich finde, es stünde Bremen gut zu Gesicht, eine Modellschule komplett mit Linux einzurichten. Ich denke, dafür würde man aus der Linux-Branche sogar einen Sponsor finden.
Fragen: Christoph Dowe
Linux-Usergroup in Bremen:
Warum Linux in Schulen?
Peter Ganten (31) ist Mitglied der Bremer Linux-Gruppe und arbeitet in Hamburg bei der „innominate training gmbh“, einer der größten Linux-Firmen. Er berät Firmen, die auf Open Source Software umsteigen wollen und hat ein Linux-Buch geschrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen