Alle Namen in der Box

■ Die private „Informations- und Datentechnik Bremen“ verwaltet die Behördendaten Bremens / Jeder Bremer ist in den ID-Computern erfasst

Wolfgang Golasowski steht neben der großen schwarzen Kiste. Zwei Millionen Mark ist der „S/390 Enterprise Server, Generation 6“ wert. Weil selbst die „Informations- und Datentechnik Bremen“ (ID Bremen) nicht so viel Geld für einen Großrechner ausgibt, ist das neue Gerät geleast. Im Bauch des schwarzen Ungetüms: Die Namen aller Bremer. Und dazu: Daten über ihre Steuerpflichten, Sozialhilfe-Empfang, Wahlberechtigung oder den letzten Strafzettel.

Im Computerraum der ID Bremen im Technologiepark der Uni laufen so ziemlich die sensibelsten Daten Bremens zusammen, vielleicht vom Rüstungskonzern Atlas Elektronik und dem Verfassungsschutz-Rechner abgesehen. Irgendwo, im Umkreis von zwei Kilometern, an einem geheimen Ort, steht noch so ein Superrechner, erklärt Golasowski – „falls mal ein Flugzeug auf dieses Gebäude fällt oder sonstwas passiert“. Jeder Bremer, sagt er, wäre sonst in irgend einer Weise von einem Systemausfall betroffen – fast jeder Brief, der mit Finanzsachen zu tun hat, wurde hier erstellt und gedruckt. Aus Sicherheitsgründen darf deshalb auch nur eine Handvoll der 135 ID-Bremen-Mitarbeiter den Raum betreten. Rund vier- bis fünfmal am Tag, gehäuft am Wochenende, versuchen Hacker, in die äußeren Systeme des Computers einzudringen – die meisten harmlose Teenies, doch auch Menschen mit krimineller Energie sind nicht auszuschließen. Andere Computer neben dem S/390 dürfen nicht fotografiert werden – um keine Rückschlüsse auf die Firewalls und Sicherheitssysteme zuzulassen.

Die Daten der Bremer sind in privater Hand: Seit letztem Jahr ist die debis Systemhaus GmbH, die Computertochter des DaimlerChrysler-Konzerns, mit 49,9 Prozent an der ID Bremen beteiligt. Den Rest hält das Land Bremen. Die debis will mehr vom ID-Bremen-Kuchen. Und Bremen würde den Rest wohl auch hergeben. Irgendwann.

Golasowski teilt sich den Geschäftsführer-Posten mit dem Bremer debis-Chef Karl-Heinz Schuhmacher. Eine Million Mark brachte die debis als Hochzeitsgeschenk mit, die Verwaltung garantierte für fünf Jahre Aufträge im Wert von 20 Millionen Mark jährlich.

Die Privatisierung, erst letztes Jahr vollzogen, war seit 1994 abzusehen: Damals wurde das seit 1968 existierende Rechenzentrum der Bremischen Verwaltung zum Eigenbetrieb. In den fünf Jahren bis 1999 wurde das Personal von 190 auf 160 Mitarbeiter abgebaut. Erst dann stieg die debis ein, die ID Bremen wurde zur GmbH. Seitdem soll sich die Firma auf dem freien Markt behaupten.

Der Eigenbetrieb existiert mit 20 Angestellten weiter: Aber fast nur noch, um den quadratischen 70-er-Jahre Bau in der Achterstaße zu verwalten. Auch einer der zwei hauseigenen Datenschutzbeauftragten wird noch dem Eigenbetrieb zugeordnet. Denn, so sehen es zumindest manche Datenschützer: Eigentlich dürfen „hoheitliche“ Daten nur von Beamten bearbeitet werden. Gemeint sind damit vor allem Aufträge der Finanzbehörden. Die ID Bremen allerdings ist der Meinung, dass sie nur eine „mechanische Hilfstätigkeit“ ausführt und keine hoheitlichen Aufgaben wahrnimmt. Der Eigenbetriebs-Datenschützer kontrolliere nur, dass Amts- und Berufsgeheimnisse gewahrt werden und der allgemeine Datenschutz eingehalten wird.

Warum ist die debis eingestiegen? Wirtschaftlich interessant sind die Kunden der ID Bremen allemal: Vor allem die Innen-, Finanz- und Sozial-Verwaltungen lassen hier ihre Datenmassen betreuen. In einem Raum kommen die Daten an, im nächsten werden sie gespeichert, eine Tür weiter stehen Hochleistungsdrucker, die Steuerbescheide, Lohnzettel oder Mahnungen ausspucken. Und in der Ecke stapeln sich gelbe Plastikkörbe der Post, für den Versand der Briefe. Mit dieser Infrastruktur ist die ID Bremen innerhalb der Landesgrenzen konkurrenzlos.

Dennoch gibt es Institutionen, die nicht Kunde sind. Die Krankenhäuser zum Beispiel sind schon vor Jahren zu einem anderen Rechenzentrum in Nordrhein-Westfalen abgewandert. Doch die ID Bremen geht von Wachstum aus. Gerade erst hat man über die debis einen fünf Millionen Mark schweren Auftrag an Land gezogen, um 125.000 Personalberechnungsfälle zu übernehmen. Zum Vergleich: Für die Bremer Verwaltung wickelt man derzeit 35.000 Abrechnungsfälle im Monat ab.

Wann die Firma Gewinne einfährt, ist dabei noch offen. 1998 machte der Eigenbetrieb noch 800.000 Mark Verlust. Im Jahr 1999 habe der Umsatz bei 26 Millionen Mark gelegen, sagt Golasowski, wobei ein plus/minus Null Ergebnis erreicht worde sei. Für das Jahr 2000 geht man vom gleichen Umsatz mit „ausgeglichenem Ergebnis“ aus. Im nächsten Jahr soll, dank des neuen Großauftrags, der Umsatz auf 30 Millionen Mark gesteigert werden.

Christoph Dowe