Schulhof der Kuscheltiere

Den Tieren der „Grundschule im Grünen“ in Malchow droht der Pflegenotstand. Die Senatsverwaltung beabsichtigt, die Stellen für die Tierpflege zu streichen. Gefährdet ist damit die Attraktion des deutschlandweit einmaligen Schulfachs Umweltlehre

Napoleon ist in Gefahr. Schon im nächsten Monat könnte er aus dem Lehrplan der 13. Grundschule Hohenschönhausen gestrichen sein. Ersatzlos. Dabei war Napoleon ein Lieblingsthema der kleinen Schüler, beinahe ihr kleiner Star. Ein Waterloo für die Geschichtskenntnisse der Schüler ist jedoch nicht zu befürchten, denn gestrichen werden müssen nicht die Feldzüge des französischen Kaisers, sondern Napoleon, das Schulschaf.

Es ist eines von 150 Tieren, die sich am Berliner Stadtrand auf dem Gelände der Malchower „Grundschule im Grünen“ tummeln. Kaninchen, Katzen, Ziegen, Vögel, Frettchen oder Schildkröten ermöglichen in der „Knirpsenfarm“ nicht nur anschauliche Biostunden, sondern sind Bestandteil des in Deutschland einzigartigen Fachs Umweltlehre. Als Modellversuch wurde es zusätzlich in den Unterricht aufgenommen, um den Kindern Umweltbewusstsein und ökologische Inhalte näher zu bringen. Eine zusätzliche Unterrichtsstunde im Vergleich zu ihren Altersgenossen müssen die Schüler absolvieren, entschädigt werden sie dafür beispielsweise mit selbst gebackenem Brot aus dem eigenen Ofen.

Doch das vielfältige Angebot ist bedroht. Die vier SAM-Stellen der Tierpfleger laufen am 30. November 2000 aus. „Das ist katastrophal für unser Projekt und für unsere Kinder“, erklärt der stellvertretende Schulleiter Ulrich Negraszus. In einem Schreiben der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen heißt es, dass die Stellen auf Grund der Einsparmaßnahmen und fehlender Haushaltsmittel nicht verlängert werden können. Man bedauere dies außerordentlich, sehe jedoch auch keine Spielräume für eine Ausnahmeregelung. „Damit müssen wir davon ausgehen, dass wir unseren kleinen Bauernhof ab Dezember nicht weiter betreiben können“, sagt Ulrich Negraszus, der auch den Vorsitz des Unterstützervereins Malchower Grashüpfer e.V. innehat. Was nützt es da, wenn sich von der Schulamtsleiterin des Bezirks, Rosemarie Luszky, bis zum Stadtrat Michael Szulczewski alle für die Schule aussprechen und einsetzen? Auch die zwei Stellen der Bibliothekarinnen werden nicht verlängert. Die über 5.000-bändige Umweltbibliothek steht damit ebenfalls vor dem Aus.

Das alternative Schulprojekt entstand 1991 durch die Eigeninitiative von Lehrern und Erziehern. Der Senat erteilte die Genehmigung für „abweichende Organisationsformen“, anstatt in die üblichen 45 Minuten wird der Tag in zwei Blöcke eingeteilt, bei besserem Wetter wird der Unterricht auch einmal unter freiem Himmel abgehalten. Mit diesem so genannten offenen Unterricht sollen schon im Grundschulalter individuellere Lernformen, Projektarbeit und selbst bestimmtes Lernen praktiziert werden.

Für ihr innovatives Konzept, das dem ökologischen Bewusstsein verpflichtet ist, wurde die „Grundschule im Grünen“ bereits 1994 vom World Wildlife Fund for Nature (WWF) ausgezeichnet.

Die „Grundschule im Grünen“ erfüllt die Forderung, soziale Kompetenzen und die Fähigkeit zum Teamwork zu entwickeln. Sie besitzt zudem, wonach momentan alle Bildungsstätten streben, ein eigenes, einzigartiges Profil. Und an innovativen Wettbewerben wie etwa einem Schulhofbegrünungsprojekt muss sie sich bestimmt nicht beteiligen. Es wäre schade, wenn mit Tierstation und Bibliothek die Attraktionen dieser Oase in der Schullandschaft verschwänden. OLIVER VOSS