Mit gutem Gewissen blau sein

Schon mehr als 130 Berliner Kneipen haben sich der Aktion „Saufen gegen Rechts“ angeschlossen. Ab Mitte November sollen in den Kneipen die ersten Partys starten

„Endlich ohne schlechtes Gewissen ein paar Bierchen trinken“, schreibt Micha ins Internet-Gästebuch der Berliner Aktion „Saufen gegen Rechts“. Mit dem einprägsamen Logo der Initiative – ein Aufkleber mit einem schaumgekrönten Bierglas – zeigen bereits mehr als 130 hauptstädtische Kneipen ihr Gesicht im Kampf gegen rechts.

Initiatoren des großen „Besäufnisses“ sind der 29-jährige Musiker Olaf und der 31-jährige Layouter Kai. Obwohl das Projekt in einer langen Nacht am Biertisch entstand, ist es keine „Schnapsidee“. „Wir wollen Spaß mit Protest verbinden“, sagt Kai: „Diese ewige Betroffenheit der Politiker und immer wieder ähnlich klingende, bierernste Aktionen helfen nicht weiter.“

Das findet auch der Wirt der Cocktailbar „Benario“ im Szene-Bezirk Prenzlauer Berg. Zwar hätten die Aufkleber und Karten noch keine tief greifenden Diskussionen in seinem Lokal angestoßen, doch das Logo grabe sich eher ins Bewusstsein als die Worte von Politikern.

Und irgendwann setze dann auch das Nachdenken ein, ist er sich sicher. Der Ansatz der Aktion sei gut gewählt: „Gemeinsames Trinken ist schließlich der kleinste gemeinsame Nenner.“ Mit Aktionen wie „Saufen gegen Rechts“ erreiche die Warnung vor aufflackerndem Neonazismus vielleicht mehr Menschen als ein großes Holocaust-Mahnmal.

Mit der Aktion solle das immer aktuelle Thema Rechtsradikalismus „mal vom Tresen aus flankiert werden“, sagt Kai. „Stammtisch-Gequatsche muss nicht negativ sein.“

Ab Mitte November sollen in den Kneipen die ersten Partys starten. „Warum nicht mal eine Happy Hour gegen rechts?“, findet Kai. Und wenn dann jeder pro Drink 50 Pfennig mehr bezahlen würde, könnten von dem Geld Organisationen unterstützt werden, die sich um Opfer von rechter Gewalt kümmern.

Inzwischen interessieren sich Kneipiers in der gesamten Bundesrepublik für die Aktion und wollen mitmachen, freut sich Kai. Wie ein „Steppenbrand“ weite sich die Biertisch-Idee zur bundesweiten Aktion aus. So wollen unter anderen Gastwirte in Thüringen und Nordrhein-Westfalen die gleiche Aktion in ihren Lokalen starten.

Übrigens sind sogar mehrere Eintragungen aus der Schweiz im Gästebuch: „Ich hoffe, Ihr nehmt auch Aufkleber-Bestellungen aus Bern an“, schreibt Daniel. MARION SCHIERZ, DDP

Eine Initiative Berliner Wirtschaften und ihrer Kundschaft. Im Internet zu finden unter der Adresse http://www.saufen-gegen-rechts.de.