„Österreich ist nicht mehr frei!“

Seit fünf Tagen schiebt Ferdinand Wegscheider Kohldampf: Weil niemand sein privates Salzburg TV empfangen darf, ist der Geschäftsführer in unbefristeten Hungerstreik getreten – für das Menschenrecht auf einen freien Fernsehmarkt

Hungerstreik gilt, trotz seiner gegenwärtigen Konjunktur, als extremes Mittel, extreme Missstände aus der Welt zu schaffen. Für Ferdinand Wegscheider, Geschäftsführer und Chefredakteur des privaten österreichischen Regionalsenders Salzburg TV, ist das Fernsehmonopol des ORF ein solches Unrecht. Und deshalb hat Wegscheider seit letztem Dienstag keinen Bissen mehr angerührt.

Einen Tag zuvor hatten drei Beamte der Funküberwachung seinen Sender am Salzburger Untersberg abgeschaltet, verplombt und für beschlagnahmt erklärt: Terrestrisches Privatfernsehen kann in Österreich nur von Haushalten mit Kabelanschluss empfangen werden – und ist im Übrigen verboten.

Obwohl bereits 1993 der Europäische Gerichtshof dieses Verbot für „menschenrechtswidrig“ erklärt hatte, konnten Anbieter erst 1995 beim Verfassungsgerichtshof die Zulassung von Privatfernsehen im Kabel erzwingen. Zwei Jahre später wurde zwar ein entsprechendes Gesetz formuliert, das aber bis heute noch nicht in der endgültigen „Beschlussfassung“ vorliegt.

Ob so viel politischer Saumseligkeit hatte Ferdinand Wegscheider seine Fassung verloren und war mit Salzburg TV am 25. Oktober auf Sendung gegangen. Verbot hin, Verbot her: 30.000 Unterschriften konnten im Salzburger Land für die Aktion „Freiheit für Privat TV“ gewonnen werden – in der Stadt selbst sei die Lage besonders menschenrechtsverletzend, da nur 15 Prozent der Haushalte über einen Kabelanschluss verfügen, privates Regionalfernsehen mithin kaum genutzt werden kann. Zumindest für Wegscheiders komplett werbefinanziertes Salzburg TV ist diese Situation desaströs.

Bewusst wählte der Geschäftsführer den Vorabend des österreichischen Nationalfeiertags (26. Oktober), um demonstrativ unter dem Motto „Österreich ist frei!“ an den Start zu gehen – in der Hoffnung, der Sender würde nach deutschen Vorbild zunächst wenigstens für den Probebetrieb genehmigt werden. Der zuständige Infrastrukturminister Michael Schmid aber mochte das Vorpreschen der Salzburger nicht dulden, ließ abschalten und Anzeige gegen Wegscheider erstatten.

Der sitzt nun in einem Container auf dem Markplatz in Salzburgs historischer Innenstadt, hungert und erklärt: „Österreich ist nicht mehr frei!“

Die ungewöhnlich ungesunde Methode, die Liberalisierung des Fernsehmarktes zu erzwingen, erregte international Aufsehen. Der Verweis auf die Menschenrechte und die radikale Protestmethode sorgte dennoch für Verstimmung. Schließlich, so unken Beobachter, sitze da lediglich ein Geschäftsmann im Hungerstreik, der um seine Gewinne fürchte – mit ähnlichen Probleme hat auch der Münchner Filmhändler Herbert Kloiber zu kämpfen, der in Wien den Privatsender ATV betreibt.

Nach Plänen der Regierung ist indes geplant, ab 2001 private Fenster auf ORF 2 einzuführen und 2002 ein privates Vollprogramm zuzulassen. „Dieser Zustand ist eine Schande für unser Land“, ereifert sich Wegscheider, der Österreich für ein „medienpolitisches Albanien“ hält. Vielleicht, weil dort die Leute auch mit knurrenden Mägen vor der Flimmerkiste sitzen.

ARNO FRANK