Mit Tempo in die Verlustzone

Mehdorns Reformprogramm für die Bahn leidet chronisch unter Finanzmangel. Teuerungen und Kartellamt erschweren Sanierung zusätzlich. Schiene verliert bei Gütern endgültig gegenüber der Straße

BERLIN taz ■ Es ist Herbst, also wird um den Haushalt des nächsten Jahres geschachert. Einer der Mittelpunkte der alljährlichen Zahlenschlacht: Die Bahn und ihr Chef Heinz Mehdorn. Rund 37.500 Kilometer Schienennetz, 8.900 Loks, 15.000 Personenwaggons und 250.000 Güterwaggons harren der Sanierung und Modernisierung. Mehdorns Imperium ist völlig veraltet – zumindest darüber sind sich alle einig.

1999 hatte die Bahn ein ehrgeiziges Konzept aus der Taufe gehoben: „Strategie Netz 21“. Im Rahmen dieses Konzeptes sollen Kapazitäten und Leistungen gesteigert, die Verfügbarkeit erhöht und die Kosten gesenkt werden. Konkret: das alte Funksystem durch ein Mobilfunksystem ersetzt, das Netz aufgeteilt, Strecken stillgelegt werden. Kosten soll dies laut Bahn 13 Milliarden Mark pro Jahr bis 2010. Vom Bundesverkehrsminister bekommt sie davon nach gegenwärtigem Stand 6,8 Milliarden Mark, die Bahn schafft – nach eigenen Angaben – 3,7 Milliarden Mark pro Jahr heran. Es fehlt also Geld.

Nicht, dass die Bahn nicht spart. Die geplante ICE-Strecke in Thüringen wird nicht gebaut, andere Projekte sollen bis nach 2009 verschoben werden. Nicht einberechnet in die bisherigen Planungen waren auch Teuerungen wie die beim größten Einzelprojekt, der neuen Strecke am Rhein/Main. Die kostet rund 1,5 Milliarden Mark mehr als geplant. Immerhin hat hier der Bundesverkehrsminister versprochen mitzuhelfen. Die Bahn versucht auch, Geld zu machen. So kassiert sie von privaten Eisenbahnunternehmen hohe Nutzungsgebühren für die Trassen ab – die eigenen Loks fahren bis zu 40 Prozent billiger. Wettbewerbswidrig, urteilte das Bundeskartellamt im Oktober. Mehdorn versprach Besserung.

Übermorgen soll im Kabinett Klimmts Verkehrsbericht vorgelegt werden. Da wird sich der Zahlendschungel noch verdichten. Selbst wenn Mehdorn und Klimmt sich auf mehr Zuschuss einigen, ist schon klar: Auch wenn in die Schiene investiert und der Straßenverkehr verteuert würde, wächst der Güterverkehr auf der Straße wegen der stark steigenden absoluten Zunahme. Maximal 27,8 Prozent, rund sieben Prozent mehr als heute, könnte die Bahn bis 2015 im besten aller Szenarien übernehmen.   MRA