Mietvertrag statt Einweisung

■ Wer akut von Obdachlosigkeit bedroht ist, soll künftig nicht mehr nach dem Polizeirecht „eingewiesen“ werden / Sozialressort will Kosten sparen und Diskriminierung vermeiden

Die Lage von Bremens Obdachlosen soll sich verbessern. So jedenfalls bewertet das Sozialressort Pläne, wonach der städtische Bestand an rund 2.500 speziellen „OPR-Wohnungen“ aufgegeben werden soll. In den nach Obdachlosenpolizeirecht (OPR) besetzten Wohnungen würden MieterInnen – deren Miete das Sozialamt trägt – nicht nur stigmatisiert, heißt es. Vielmehr haben sie oft über Jahre hinweg auch keinen Mietvertrag oder Kündigungsschutz. Sie gelten als „eingewiesen“. Das soll sich jetzt ändern.

Stadt und Wohnungsbaugesellschaften verhandeln derzeit darüber, die Betroffenen mit regulären Mietverträgen auszustatten. Damit werden auch Kosten gespart, denn die städtisch verwalteten OPR-Wohnungen kommen weit teurer als Wohnungen, bei denen das Amt lediglich die Miete zahlt. Das jedenfalls erklärt der Leiter der Abteilung Soziales, Karl Bronke. Seine Behörde setzt damit zugleich eine Empfehlung der Kienbaum Unternehmensberatung von 1997 um. Diese hatte die Wohnungshilfe des Amtes für soziale Dienste in Sachen Organisation und Wirtschaftlichkeit unter die Lupe genommen und empfohlen, Einweisungen nach dem OPR zu vermeiden und Personal zu sparen.

Die Wohnungsbaugesellschaften davon sind nur teilweise angetan: Bislang trugen sie kaum wirtschaftliches Risiko, da die Stadt auch schadensersatzpflichtig war, wenn es „Bruch“ gab. Bei der Bremischen heißt es, „nicht glücklich“, denn man habe da eine schwierige Klientel und fürchtet „Vandalismus“ und „hohen Betriebsaufwand“. Bei der Gewoba ist vorsichtig von „schwebenden Verhandlungen“ die Rede. Knackpunkt seien die Schadenersatzfragen, so Abteilungsleiter Rainer Penczok. Er hält jedoch den Ansatz, „Eingewiesene“ mit Mietverträgen auszustatten, grundsätzlich für richtig: „Warum sollen wir mit denen keine Verträge machen wie mit anderen auch?“

Einrichtungen, die sich für Obdachlose einsetzen, meinen das auch. Dennoch haben sie Bedenken. Denn, so fragt Volker Busch-Geertsema von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung, „was tritt an die Stelle der bisherigen Regelung?“ fürchtet, dass die Stadt ihre Handlungsmöglichkeiten verringert, akut von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen zu helfen. Da seien „gute Verträge“ mit den Gesellschaften nötig. Andere, wie die Bremer Grünen oder der Verein „Wohnungshilfe“, fordern verstärkte Präventionsarbeit, um Obdachlosigkeit möglichst zu verhindern. Ein „ordentliches System ambulanter Betreuung“ soll es geben (Karoline Linnert, Grüne), eine „Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit“ wie in anderen Großstädten (Regina Brieske, Wohnungshilfe e.V.). Doch das kostet.

Senatsrat Bronke beruhigt. Den Sozial-Plänen zufolge würde Personal frei; vier in „Wohnungsnotfallprofis“ umgewidmete SozialarbeiterInnen sollen eingesetzt werden. Auch ein runder Tisch mit den Wohnungsbaugesellschaften sei im Entstehen.

Insgesamt sei man künftig auf die Kooperationsbereitschaft von seiten der Bremischen und der Gewoba angewiesen, „wir hoffen natürlich, dass die Gesellschaften nach wie vor an diese Leute vermieten“. Hier sollen noch „Absprachen“ getroffen werden. Bronke sieht durchaus die Gefahr, dass die Stadt mit der Neuregelung Einflussmöglichkeiten aufgibt. So würden die Wohnungsbaugesellschaften bessere Möglichkeiteiten bekommen, die Mieterzusammensetzung in ihren Häusern zu steuern – was durchaus in deren Sinne sein dürfte.

hase