Rosa am besten allein

■ Die Fadosängerin Dona Rosa aus Lissabon trat mit Begleitprogramm in der Kirche Unser Lieben Frauen auf

Eine kleine, blinde Frau zieht, nur mit ihrer glasklaren Stimme und einem Triangel in der Hand, das Publikum in einer voll besetzten Kirche in ihren Bann. Das ist der bleibende Eindruck dieses Auftritts: Etwa die Hälfte ihres Konzertes sang Dona Rosa so unbegleitet und pur, und die schöne Melancholie ihrer Lieder war so unverdünnt zu spüren. In der anderen Hälfte ihres Auftritts stand ihr mit dem Akkordeonspieler Vincent d'Aversa ein Begleitmusiker zur Seite. Musikalisch war das sicher richtig und zur Stimmung passend. Aber die Konzertwirkung einer schutzlos wirkenden Frau, die alleine einen Raum beherrscht, verwässerte er mit seiner Musik nur.

Dass man die Texte nicht verstand, war da kaum ein Manko: Bei jedem Lied schien ihre Stimme durchtränkt von der gleichen Melancholie, immer schien sie im Grunde von sich selber und ihrem armseligen Leben als bettelnde Sängerin in den Straßen von Lissabon zu erzählen. Die Veranstalter hatten zwar einen Programmzettel mit den Titeln der Lieder und kurzen Erklärungen verteilt, aber Dona Rosa hielt sich offensichtlich nicht an diese Reihenfolge. So wusste der größte Teil des Publikums nicht, ob sie gerade vom „Los der Emigranten in einem fremden Land“ oder der „Tragödie all der Frauen, die darauf warten, dass ihre Männer aus dem Kolonialkrieg heimkehren“ sang. Egal, denn in jeder Liedzeile vermittelte diese Stimme reine Emotion: Den klagenden Fado, der durch Dona Rosa als Stimme, Persönlichkeit und Schicksal sehr eindrucksvoll verkörpert wird.

Während es bei der ersten Hälfte des Konzerts tatsächlich mucksmäuschenstill in der Kirche war (nur draußen fielen einige Türen ins Schloss), hob bei „Sergey Starostin's Vocal Family“ ein allgemeines Hüsteln und Rascheln an. Auch daran lässt sich die Wirkung eines Auftritts bewerten: Die Konzentration ließ merklich nach. Vier Sängerinnen des bulgarischen Frauenchors „Angelite“ und der Russe Sergey Starostin versuchten hier eine Melange aus ihren jeweiligen Volksliedkulturen. Starostin singt und spielt im hoch gerühmten Moscow Art Trio, und dessen Kopf Mirkhail Alperin arrangierte auch diese postmoderne Volksmusik.

Die vier bulgarischen Sängerinnen und Starostin fabrizierten zusammen eine kunstvoll, künstliche Musik, die gerade im Kontrast zum völlig organischen Gesang von Dona Rosa seltsam gehaltlos und manieristisch wirkte. Wirklich herzlichen Beifall bekamen die vier Bulgarinnen und Starostin interessanterweise, wenn sie jeweils alleine sangen oder spielten: Das Quartett hatte viel mehr Selbstbewusstsein und Energie, als es einfach nur ein bulgarisches Volkslied anstimmte, und Starostin improvisierte ganz allein wunderbar eine russische Ballade.

So wurden bei diesem Konzert zugleich die Stärken und die Schwächen des Plattenlabels Jaro, das die CDs von allen aufgetretenen MusikerInnen produziert, offenbar. Einerseits findet man dort immer wieder neue, so noch nie gehörte Musiken und InterpretInnen. Andererseits erliegen die Produzenten ganz ähnlich wie beim Jazz-label ECM aber auch oft der Gefahr, diese nach ihren ersten Erfolgen zu seltsamen, aber nicht immer gelingenden Stilmischungen zusammenzuführen.

Hoffentlich müssen wir nicht in einigen Jahren Dona Rosa zusammen mit dem Bandoneon-Spieler und Jaro-Musiker Luis de Matteo hören – den Fado singt sie am besten allein mit ihrem Triangel.

Wilfried Hippen