Bitte treten!

■ Regisseur Michael Derda hat am Waldau Theater aus dem Märchen „Dornröschen“ der Brüder Grimm ein Boulevardstück für Kinder gemacht

Egal was man ihm in die Hand drückt – einen Einkaufszettel, eine Landkarte, ein Telefonbuch – Michael Derda macht Boulevardtheater daraus. Nicht wenige (einschließlich des Intendanten des Waldau Theaters selbst) halten das für sein größtes Talent. Doch auch nicht so ganz wenige beschleicht inzwischen das Gefühl, bei jeder neuen Derda-Premiere der Aufführung des ewig identischen Stückes beizuwohnen.

„Dornröschen“ heißt das jüngste Beispiel, an dem sich die Metamorphose des Immergleichen beobachten lässt. Von den Gebrüdern Grimm als geheimnisvolles Märchen um eine verwunschene Königstochter konzipiert, die in den Bann des Bösen gerät und erst durch die Kraft eines Liebenden gerettet werden kann, liest Regisseur Derda hingegen die Geschichte als Anleitung zum permanenten Lustigsein.

Die Rollen der Clowns übernehmen dabei das eigens dafür geschaffene Küchenpersonal. Sowohl der dicke, zwirbelbärtige venezianische Chefkoch Luigi (Martin Gresselmeyer) als auch sein tumber Küchenjunge Willi (Andreas Lembcke) sind fortwährend damit beschäftigt, grimassierend und stolpernd für Stimmung zu sorgen. Mal ist's der Pfeffer in der Nase, der zum lustigen Niesen reizt. Mehr als ein anderes Mal ist's der Sprachfehler der schwerhörigen Magd Berta (Isolde Beilé), die „Küsschenjunge“ sagt, wenn sie Küchenjunge meint, der zum Lachen animiert.

Nun ist unbedingt zu loben, dass die Waldau-Inszenierung den Mief einer klassisch verschnarchten Weihnachtsmärchen-Aufführung vermied und sich keine Mühe gab, verträumte Augen in bis zur Halskrause mit Lebkuchen gefüllte Kindergesichter zu zaubern. Auch beim aufwändig gestalteten Schloss-Bühnenbild samt drehbarem Türmchen und den üppig gestalteten Ritterzeit-Kostümen war der betriebene Aufwand anerkennenswert groß. Doch der Eindruck dominierte, dass Derdas szenische Einfälle in allzu großer Routine erstickten, dass viele Inszenierungsideen bereits in abertausend Boulevardstücken auf ihre Lachertauglichkeit hin geprüft und für uneingeschränkt brauchbar befunden wurden.

Hier ein abgestandener Wortwitz, dort eine müde Slapstick-Nummer, zwischendurch die üblichen „Kinder, seid Ihr auch alle da?“-Dialoge der souverän agierenden SchauspielerInnen mit dem Publikum – viel mehr mehr war's nicht, was Dornröschen im Innersten zusammenhielt. Nicht einmal den Steinzeit-Gag mit dem heimlich angehefteten „Bitte tritt mich“-Zettel auf dem Rücken des Hofmarschalls, der dem Ahnungslosen manch unerwünschten Arschtritt bescherte, konnte sich Derda verkneifen. Wäre da nicht die total überdrehte Feldmaus (Antje Klattenhof) gewesen, die beim Betrachter mit der Zeit schon das heftige Bedürfnis hervorrief, den Kammerjäger zu rufen, man wäre wohl ganz ohne jede Emotion still schlummernd aus dem Theatersessel geglitten.

Es ist halt so, wie Kollege Hippen kürzlich an dieser Stelle bereits über Derdas letzte Waldau-Inszenierung „Charleys Tante“ schrieb: Wirklich interessant ist, dass es ein Publikum gibt, das darüber lachen kann. Der Satz hat Michael Derda nach eigenem Bekunden ausgesprochen gut gefallen. Nun denn, schreiben wir ihn halt, weil er stimmt, noch einmal auf: Wirklich interessant ist, dass es ein Publikum gibt, das darüber lachen kann. Oder in den Worten des Dornröschen-König Eduards: „Nun ja, dann soll es so sein.“ Zumindest die anwesenden Kinder in der allerdings nur mäßig besuchten Premierenvorstellung haben sich augenscheinlich ganz gut amüsiert. Vermutlich auch wieder so ein Satz, der dem Regisseur ausgesprochen gut gefallen wird. Franco Zotta

Weitere Aufführungen im November: heute, 9., 28., 29. November 9 und 11.30 Uhr, 10. November 9 Uhr, 11. November 11.30 Uhr, 26. November 10, 13, 15.30 und 18 Uhr, 27. November 9, 11.30, 14 Uhr. Karten & Infos: Tel.: 386 17 24.