Hunde-Rasselisten: Innensenator übt noch

„Innenressort: Bitte um Spielraum“, taz vom 7.11.2000

Bekanntlich haben mit wenigen Ausnahmen alle Bundesländer ihre Rasselisten Hals über Kopf abgeschrieben von einer ersten Liste, die 1991 ein unbekannter Doggenzüchter namens Franz Breitsamer für die bayerischen Regierung verfasste. Jetzt möchte das Innenressort dreisterweise ihr Abkupfern zum Argument für die Qualität der Liste machen: Weil alle Bundesländer beim Abschreiben keine Fehler machten und die gleichen Rassen führen, müsse das Oberverwaltungsgericht doch einsehen, wie objektiv die Liste sei!

Dass ihr Referent Heinz Pleister endlich einmal ein Buch zum Thema las, ist dabei dem Innenressort nicht vorzuwerfen. Zu beklagen ist vielmehr, dass auf das bunte Bilderbuch aus dem Kosmos-Verlag keine weiteren folgten. Denn das zweiseitige Gepleister aus dem Innenressort weiß nichts von den 100 abgesicherten Statistiken, die Prof. Irene Stur in ihrer grundlegenden Arbeit zum Thema anführt, nichts von den zahlreichen internationalen Studien und Erhebungen, die überall das gleiche Bild bieten: Weltweit, auch bei Todesfällen, vor allem bei solchen von Kindern, ist der deutsche Schäferhund - alias German Shepherd, alias Chien alsacien - der Champion jeder Beißstatistik. Ihm dicht auf den Fersen Rottweiler und Dobermann.

Der erste Rechtsgrundsatz lautet bekanntlich, dass wesentlich Gleiches nicht ungleich behandelt werden darf. Das Innenressort sollte daher auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und akzeptieren, dass es keine Kampfhundrassen gibt, die gefährlicher sind, als nicht gelistete Rassen. Es gibt keine „unvorsehbar“ ausbrechende Aggressivität bei Hunden, es gibt noch nicht einmal jene märchenhaften zwei Tonnen Bisskraft von Pitbull & Co, bei denen jedes neun Meter lange australische Leistenkrokodil vor Neid erblasste. Weltweit existiert nicht eine wissenschaftliche Arbeit, welche die genetische Erblichkeit von Kampfhundeigenschaften feststellt. Es gibt aber Aggressionszucht, es gibt falsche Rassestandards und es gibt Hundeindividuen, gleich welcher Rasse, die gezielt zu Kampfhunden ausgebildet werden. Das sind übrigens diejenigen Hunde, die andere Hunde ohne Hemmung angreifen. Schutzhunde dagegen, die jeder Trottel per „Schutzhund einszweidrei“ trainieren darf, sind „mannscharfe“ Waffen, die vor allem Menschen ohne Hemmung angreifen. Eine gute Hundeverordnung ist aus diesen Gründen immer eine Halter- und Züchterverordnung ohne Rasselisten und Schutzhundausbildung. Dr. Klaus Jarchow