Be happy unter Polizeischutz

Im Amerika Haus lud die US-Botschaft zur Wahlparty. Man gab sich politically correct, demokratisch und langweilig und feierte bis zum frühen Morgen anderswo weiter

Dienstag, 7. 11., 19.00 Uhr. Wahlparty der US-Botschaft im Amerika Haus. Trotz entspannter Stimmung gleicht das Gebäude am Bahnhof Zoo einer Festung: Der Gehweg ist abgesperrt, davor patroullieren Polizisten mit schusssicheren Westen und MPs im Anschlag. Nur wer eine Einladung hat und es auch noch schafft, die „Diplomatic Security“ zu passieren, kommt hinein.

Drinnen ist man in Amerika gelandet. Das ganze Haus ist ausstaffiert wie zu einem High-School-Abschlussball: Blauweißrote Girlanden baumeln von der Decke und im Veranstaltungssaal sind die Flaggen aller 50 Bundesstaaten aufgehängt. Zudem herrscht Rauchverbot, die Süchtigen werden politically correct auf den Balkon in die „Smoking Area“ verbannt.

19.30 Uhr: Eine Runde von Wissenschaftlern und Journalisten trifft sich zur Podiumsdiskussion. Es herrscht Einstimmigkeit darüber, dass sich wenig nach der Wahl in den USA ändern wird, egal ob Bush oder Gore gewinnen. Alle sind auch der Meinung, dass Bush als Sieger aus dem Abend hervorgehen wird, außer einem Professor aus Virginia, der auf Gore setzt.

20.30 Uhr: Die Stimmung steigt, denn das Buffet wird eröffnet. Dank der Sponsoren, die auf allen Prospekten präsent sind, bietet sich die exklusive Wahl zwischen Chicken McNuggets und Käsehäppchen. McDonald’s sorgt für die Verpflegung, Coca-Cola für die Softdrinks, nur das Bier kommt aus Berlin.

23.00 Uhr: CNN meldet: „Kanditat Bush stand heute morgen um 9.00 Uhr auf. Er hatte einen tiefen und gesunden Schlaf.“ Auf den Videoleinwänden gähnende Langeweile, die ersten Zahlen werden frühestens um Mitternacht erwartet.

Spannung kommt erst auf, als das Ergebnis der Probewahl unter den Gästen bekannt gegeben wird: Zur allgemeinen Überraschung feiert Gore mit 71 Prozent der Partystimmen einen triumphalen Sieg, vor dem Grünen Nader mit 14 Prozent. Bush landet abgeschlagen nur auf Platz drei.

0.50 Uhr: Szenenwechsel. Die Veranstaltung im Amerika Haus ist vor den ersten Hochrechnungen beendet, in Steglitz sind die US-Boys hartgesottener. In einem Bürohaus der Stiftung Checkpoint Charlie haben sich etwa 20 Mitarbeiter und Freunde vor einem Großbildschirm versammelt. „Wir halten durch bis zum Ende“, versichert eine Dame vom „John F. Kennedy Friendship Center“. Durchhalten wollen auch die Journalisten, die fast so zahlreich erschienen sind wie die Gäste. Ein Fernsehteam von Arte dreht, die Kollegen von Springer suchen Bier und die junge Frau von AFP kritzelt Notizblöcke voll.

2.00 Uhr: Auch hier hoffen die Anwesenden auf Gore, dementsprechend groß ist der Jubel, als dieser in Florida und Michigan, zwei Staaten mit vielen Wahlmännerstimmen, führt. Zum ersten Mal kommt Gore bis auf zwei Stimmen an Bush heran.

3.00 Uhr: Mit AFP ist auch die letzte Kollegin gegangen. Gore führt jetzt mit 182 zu 153 Stimmen.

3.45 Uhr: Beim Stand von 185 zu 182 für Bush gehe ich nach Hause. Gute Nacht, Amerika. DANIEL FERSCH