piwik no script img

Virtuelle Königin

Vor der Wiedereröffnung des Lichthofes: Ein Interview mit der Gründerin Maryn Stucken  ■ Von Britta Peters

Wenige Tage vor der Premiere von snowQueen.Hotel sieht es im Lichthof noch nach viel Arbeit aus. Nicht nur die Proben laufen auf Hochtouren, auch die wegen des steten Wachstums der Theatergruppe just neu bezogene Spielstätte in der Mendelssohnstraße muss erstmal eingerichtet werden. Immerhin, die Bühne steht.

Gegründet wurde der Lichthof 1994 von der Regisseurin, Schauspielerin und Autorin Maryn Stu-cken. Erst als kleines Projekt gedacht, begann die Gruppe bald, eigene Stü-cke zu entwickeln. Charakteristisch sind Produktionen wie back pages – sieben Frauen und ein Fenster (1997) oder das 1999 in der Hauptpost am Stephansplatz inszenierte „Heldenstück“ Supernix. Eigene Texte und Zitate, Choreografie und Musik fügen sich zu szenischen Collagen zusammen, in back pages der Lebensgeschichte einer Frau mittleren Alters gewidmet. Supernix hinterfragt jugendliche Selbstbespiegelung als Lebenszweck.

Durch die Professionalität und Kontinuität, mit der die Gruppe ihre Stücke auf die Bühne bringt, kamen immer mehr ausgebildete Theaterleute dazu. Mittlerweile spielt die Unterscheidung zwischen Amateuren und Profis keine Rolle mehr – professionell heißt doch nur, dass man für seine Arbeit Geld bekommt, sagt Marcel Wei-nand. Als freier Regisseur und Bühnenbildner arbeitet er seit vier Jahren mit Maryn Stucken zusammen.

taz hamburg: Marcel, wie bist du an den Lichthof gekommen?

Marcel: Über eine Freundin. Sie hat mich gefragt, ob ich jemanden kenne, der Kostüme machen kann, und ich habe gesagt: Ja, ich!

Maryn: Zu mir hat sie gesagt, ich kenne einen, der arbeitet in der Kneipe und kann auch Kostüme entwerfen. Her damit, habe ich gesagt. Manchmal finde ich es schon erstaunlich: Marcel und ich sind siebzehn Jahre auseinander, und trotzdem entwickelt sich dann so ein produktives Arbeitsverhältnis.

Marcel: Bei meiner ersten Probe, das war zu back pages, saß ich da zwischen all diesen 50jährigen und dachte: Bin ich hier richtig? Ich hatte dann aber sehr schnell das Gefühl, ja, das ist gut. Maryn und ich haben uns sofort verstanden.

Wie sieht Eure Zusammenarbeit aus?

Maryn: Ich bin mehr für die Geschichten zuständig und Marcel mehr für die Bilder. Obwohl, auf snowQueen.Hotel trifft das nicht zu, das haben wir sehr stark gemeinsam entwickelt.

In dem Märchen von Andersen verfällt der liebe Kay dem Einflussder herzlosen Schneekönigin – so lange, bis ihn seine ebenso liebe Freundin Gerda findet und rettet. In der Zwischenzeit werden beide erwachsen. Worum geht es in dem Stück? Um Drogen?

Marcel: Man kann das immer schlecht benennen. Wir haben uns jetzt auf den Satz geeinigt: snowQueen.Hotel erzählt davon, wie eine virtuelle Figur eine wirkliche Beziehung komplett zerstören kann.

Maryn: Natürlich geht es um Abhängigkeit, jedoch gebunden an diese Frau, die nicht nur abstrakt ist, sondern auch ein Gesicht hat. Zuerst hatten wir große Schwierigkeiten, uns von der Vorlage zu lösen. Als Marcel dann auf Hitchcocks Stage Fright gestoßen ist, hat uns das ein ganzes Stück weiter gebracht. Marlene Dietrich verkörpert darin eine Frau, die viel von dem bündelt, was uns für die Schneekönigin wichtig erschien. Sie ist auf sehr widersprüchliche Art anziehend: Sie hat ein leeres und trotzdem sehr lebendiges Gesicht. Genau diese Art von Gebrochenheit hat uns vorgeschwebt.

Mit der psychedelischen Sängerin Pia Burnette habt Ihr für die Rolle die ideale Besetzung gefunden. Wie kam es dazu?

Marcel: Ich habe mit Pia mal eine Minisache gemacht, sie spielte darin eine von fünf Adelheid Streidels. Als ich Maryn Fotos davon gezeigt habe, hat sie sich sofort auf das von Pia gestürzt.

Gemeinsam mit der Hamburger love-and-terror Band Electro Sun hat Pia auch den Snow Queen's Song komponiert. Wie wichtig ist Musik in dem Stück?

Maryn: Pias Möglichkeit, ein Lied und einen Text für das Stück zu schreiben, hat ihr beim Finden der Rolle sehr geholfen. Ihr Lied ist für das Stück zentral, es fungiert als Rahmen und taucht als Melodie zwischendurch immer wieder auf.

Marcel: Durch das Sounddesign von Marcel Petry kommt noch eine Fülle schräger Musik dazu, voller Anspielungen, insgesamt sehr fragmentarisch. Genauso wie der Text: eine Collage aus Andersen, Thomas Mann, Bibelzitaten und Hitchcocks Film. Trotzdem ist daraus eine Geschichte entstanden, die auch als Geschichte funktioniert. Die Figuren halten sie zusammen.

10. bis 12. November, 20 Uhr; Eröffnungsbrunch. 12. November, 12 Uhr, Lichthof, Mendelssohnstraße 15 b

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen