Die nationalistische Karte gespielt

Der kroatischen Nationalpartei HDZ schwimmen in Bosnien-Herzegowina die Felle weg. Angesichts der Wahlen am Sonntag setzen die Hardliner auf Nationalismus. Sie wollen jetzt einen Volksentscheid für die Rechte der Kroaten organisieren

aus Mostar ERICH RATHFELDER

Kaum zu glauben, dass hier, in Mostar, noch vor wenigen Jahren ein Krieg tobte, der die halbe Stadt in Schutt und Asche legte. Heute sind viele der Ruinen wieder aufgebaut. Sicher, die Stadt ist immer noch zweigeteilt, im Osten wohnen vornehmlich Bosniaken (Muslime), im Westen vor allem Kroaten. Die alte und berühmte Brücke über die Neretva, das im Krieg zerstörte Symbol des Zusammenwirkens unterschiedlicher Kulturen, wird erst wieder aufgebaut. Doch anders als 1998 hat niemand mehr Angst, die ehemalige Demarkationslinie zu überschreiten.

Zur Entspannung hier in Bosnien, wo am Sonntag gewählt wird, beigetragen hat der Regierungswechsel in Kroatien im Januar. Die neue Regierung hat der auf der kroatischen Westseite herrschenden Nationalpartei HDZ klar gemacht, dass sie die auf Teilung Bosniens und Herzegowinas gerichtete Politik nicht mehr unterstützt. Gelder, die unter Tudjman kräftig flossen, wurden gekürzt. Herceg-Bosna, der kroatische Teilstaat in Bosnien und Herzegowina, existiert nicht mehr.

Die kroatische Nationalpartei ist nun gezwungen, ernsthaft in den Institutionen der bosniakisch-kroatischen Föderation, der neben der Republika Srpska bestehenden zweiten Entität, zu wirken. Ihre Hoffnung auf eine dritte Entität mussten die kroatischen Nationalisten begraben.

Mit dieser Niederlage begann der Niedergang der Tudjman-Partei. Die Machtbasis bröckelte, selbst die Propagandamedien wurden von den internationalen Organisationen geschlossen. Die kriminell nationalistische Szene wurde ausgetrocknet, nicht nur der Chef der Unterwelt Mostars, Mladen Naletilić, befindet sich in Den Haag, auch einige Generäle der kroatisch-bosnischen Armee HVO hat Zagreb ausgeliefert.

Viele alte Kader, die den Krieg mit dem Ziel betrieben hatten, Herceg-Bosna an Kroatien anzuschließen, mussten in der HDZ ihre Sessel räumen. Bei den Gemeindewahlen im Frühjahr gewann die HDZ zwar noch 80 Prozent der kroatischen Stimmen, die Wahlbeteiligung von knapp 50 Prozent jedoch zeigte, dass die kroatische Bevölkerung verunsichert war. Weil sich Alternativen während der Herrschaft der Hardliner nicht bilden konnten, fehlten auch überzeugende Konkurrenzparteien.

Dies ist nun anders. Die „Kroatische Initiative“ des HDZ-Dissidenten Kresimir Zubak wird in den Kroatengebieten Ost- und Zentralbosniens immer populärer, in Westmostar und in der Herzegowina wurden Büros der multiethnischen Sozialdemokratischen Partei gegründet. Noch vor kurzem musste die HDZ eine Niederlage an den Wahlurnen befürchten.

Ihre einzige Chance war, die nationalen Gefühle der kroatischen Bevölkerung wieder anzuheizen. Anlass dazu bot eine Wahlrechtsänderung, die am 19. Oktober von der OSZE verfügt wurde. Künftig können die Delegierten des Oberhauses des Gesamtstaates, die Nationalitätenvertretung, von allen Abgeordneten der 9 Kantone der bosniakisch-kroatischen Föderation gewählt werden. Nicht die Partei bestimmt mehr die 30 Kroaten im Oberhaus, sondern alle Kantonsdelegierten. Dass somit nichtnationalistische Kroaten eine Chance erhalten, ist gewollt.

Seither arbeitet die Propagandamaschine. Die Kroaten würden ihrer Rechte beraubt, hieß es in Mostar. Ein kroatisches „Parlament“, in Wahrheit eine Parteiversammlung, beschloss Anfang des Monats, ein Referendum für die „Rechte der kroatischen Bevölkerung“ parallell zu den Wahlen abzuhalten. Die OSZE wird die Abstimmung nicht dulden. Mit der Kampagne könnte es der HDZ jedoch erneut gelingen, die Mehrheit der kroatischen Stimmen zu erreichen.