Friedrichshain siegt doch

Eine Bilanz des Versagens muss die KPD/RZ für ihr erstes Jahr im Kreuzberger Bezirksparlament ziehen: Die Partei scheiterte bisher an der Blockadepolitik der BVV und an den Illuminaten

von OLIVER VOSS

Die KPD/RZ hat verloren. Als „Verräter“ und „humorlose Hippies“ musste sich die Spaßpartei in einem offenen Brief des PDS-Abgeordneten Freke Over beschimpfen lassen. In Kreuzberg wurde gar die Forderung laut, die Partei möge sich doch bitte schön auflösen.

Anlass war der nach CDU-Mann Landowsky „historische Sündenfall“, die Wahl der ersten kommunistischen Regierung auf westlichem Territorium. Mit wehenden PDS-Fahnen war die künftige Bürgermeisterin Kreuzberg-Friedrichshains, Bärbel Grygier, über die Oberbaumbrücke marschiert und hatte bundesweit für Aufregung gesorgt. Verschlafen haben das nur die Kreuzberger Patriotischen Demokraten. Kampflos, ja tatenlos hat die Partei dem Ereignis nicht einmal zugesehen.

Nanette Fleig, die erste Abgeordnete der Partei, reagiert empört. Alles „Propagandalügen“ rechtfertigt sie sich und tut die Anschuldigungen als „haltlose Vorwürfe“ ab. Man habe das Problem schon früher bekämpft, jetzt sei es eh zu spät. Die haben sich „in einem unbeobachteten Moment über die Brücke geschlichen“, gesteht sie ein, doch man solle das nicht überbewerten, und Grygier findet sie so schlecht auch nicht. Vielleicht sind ja doch endlich Bestechungsgelder an die Partei geflossen, die unter anderem für eine „Legalisierung der Korruption“ eintritt. Wahrscheinlich ist das nicht, die bisher gebotenen Summen waren jedenfalls so „lächerlich“, dass Fleig deswegen zurücktrat.

Inzwischen sitzt Boris Methner als dritter KPD/RZler in Folge im Kreuzberger Bezirksparlament und beginnt bereits zu resignieren. „Wir können gegen den Wahnsinnsmoloch nicht ankämpfen“, sagt der Lehrer chinesischer Heilgymnastik. Diesen Schluss zog schon sein Vorgänger Riza Cörtlen, und räumte wegen der ständigen Blockierung seiner Politik den Sitz in der BVV für Boris Methner. Ein „offensichtlich ausgeklügeltes System“, erkennt Lars Meissner (CDU) in diesen Wechselspielchen.

Bis zum Ende der Legislaturperiode dürfen so alle Kandidaten der Wahlliste mal ran, durch die anstrengende Arbeit würden diese auch schnell „verschlissen und verbraucht“, gesteht die Partei. Mit dem Wechsel der Abgeordneten hat sich die Zusammenarbeit aber „jedes Mal verschlechtert“, bemängelt der stellvertretende BVV-Vorsteher Meissner. Daran schuld könnte auch Riza Cörtlens Antrag auf Abwahl des CDU-Baustadtrates Stefke sein, „weil den sowieso keiner leiden kann“. Den Antrag mochte dann auch niemand leiden, wie fast alle der durchschnittlichen zwei bis drei Anfragen und Anträge pro Sitzung wurde er abgelehnt. Cörtlen forderte in seiner Rücktrittserklärung die Verordneten zum „kollektiven Selbstmord“ auf, sinnlos fand er die Arbeit jedoch nicht, „immerhin gab es monatlich 700 Mark“.

Bei denen ist die Luft ist raus, lautet der Tenor der anderen Parteien. Eine von den Grünen erhoffte Zusammenarbeit blieb aus, nichts war mit der „Stärkung des linken Flügels“, die PDS-Fraktionsvorsitzende Barbara Seid erwartet hatte. „Die verehren die falschen Götter“, steht für Seid fest, nachdem in knappen Abstimmungen, Münze, göttlicher Würfel oder Stimmungslage der KPD/RZ für Anträge der CDU entschieden.

Höhere Mächte sollen auch an anderer Stelle im Spiel sein, Boris Methner erklärt, wieso nun die Wahl Grygiers annuliert werden soll. „Lars Meissner müsste in der alphabetisch sortierten Anwesenheitsliste vor Methner kommen, er ist aber nach mir dran, auf Platz 39“. Die Quersumme von 39 ist nun aber das doppelte Querprodukt von 23. Die legendäre Zahl lässt der KPD/RZ nur eine Schlussfolgerung: „Meissner wurde von den Illuminaten auf den Platz gesetzt.“ Da die Anwesenheitsliste auch die Abstimmungsreihenfolge bestimmt, liegt zudem ein Verfahrensfehler vor, weswegen die Annulierung der Wahl geprüft werden soll. Falls das scheitert, hilft vielleicht die Uli-Hoeneß-Methode, „Haaranalysen“ aller Verordneten verlangt Boris Methner um auch nachzuweisen, wer „Kommunist oder mal bei einer Prostituierten war“. Sollte sich der Verdacht, „dass vielleicht Drogenwracks unseren Bezirk regieren“, nicht erhärten, muss sich die Partei weiter an kleinen Erfolgen freuen. Als einen solchen bezeichnet Nanette Fleig den Protest gegen das Kunstprojekt „Übergänge“ an der Oberbaumbrücke. Die PR-Managerin eines Punklabels hat bei der zufallsgesteuerten Neonsimulation des Spiels „Stein, Papier, Schere“ beobachtet, dass „die Friedrichshainer Seite öfter gewinnt als die Kreuzberger“. Ein ausnahmsweise erfolgreiche Anfrage hätte dies geändert.

Wären Nanette Fleig und ihre männlichen Kollegen am Tag der feindlichen Übernahme Kreuzbergs an der Brücke gewesen, hätten sie festgestellt, dass auch dieser Erfolg wieder von der BVV oder den Weltbeherrschenden Illuminaten zunichte gemacht wurde. Unverändert befindet sich die bekämpfte Kunst am Bau, und Friedrichshain siegt und siegt und siegt.