Zum Wohle aller

Potente Sponsoren braucht die Kultur: Auch große Institutionen wie die Berlinische Galerie oder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz suchen für einen längeren Zeitraum Partner aus der Wirtschaft

Man glaubt, den Sponsoren Gegenleistungenanbieten zu können, ohne dass die Inhalte berührt werden

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Noch gibt es in Berlin kein Museum, das nach amerikanischem Vorbild mehr Mitarbeiter in der Fundraising-Abteilung beschäftigt als in der Wissenschaft. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bereitet gerade erst die Gründung einer eigenen GmbH vor, um Kontakte mit Sponsoren oder die Vermietung von Museumsräumen in Zukunft professioneller regeln zu können. Die Kuratoren und Kunsthistoriker, die das Akquirieren zusätzlicher Mittel immer häufiger aufgebürdet bekamen, sind dafür fast nie ausgebildet und leiden an dem Gefühl, den Erfahrungen und Tricks ihrer Geschäftspartner nicht ganz gewachsen zu sein. Im Dezember wird dem Stiftungsrat ein Konzept für die GmbH vorgelegt.

Besonders forsch wirft sich die Berlinische Galerie ins Rennen. Das Landesmuseum, das seit drei Jahren fast von der Bildfläche verschwunden ist, erhält einen neuen Standort auf dem Gelände der Schultheiss-Brauerei am Kreuzberg. Doch der Ausbau der öffentlich finanzierten Hallen reicht dem Museum nicht, um sein ganzes Repertoire an Geschichte der Moderne in Berlin und die Fortsetzungskapitel der aktuellen Kunst auszubreiten.

Also hat Direktor Jörn Merkert den Plan ausgeheckt, die von der Stadt finanzierten Hallen (6.800 Quadratmeter) an Sponsoren zu verkaufen und mit den Einnahmen den weiteren Ausbau von über 7.000 Quadratmetern für Ausstellungshallen, Café, Multifunktionsräumen und Depots anzuschieben.

Aus seinem Munde klingt das wie die euphorische Vision eines Museums als kollektiven Kunstwerks, das die Bürger einer Stadt sich selbst schenken. Pakete in jeder Größenordnung sind sein Angebot. Wer tausend Mark spendet, kann einer Ziegelplatte im Fußboden seinen Namen aufdrücken, für eine Million wird gleich eine ganze Halle benannt. Solche Dimensionen des Fundraising sind für Berlin neu. Mit dem Projekt, zuerst vorgestellt in dem Vortrag „Katakomben und Millionen“ in der Akademie der Künste, will der Direktor nun durch Institutionen tingeln wie die Hochschule der Künste oder die Industrie- und Handelskammer. Als professionelle Partnerin steht ihm die ehemalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing zur Seite, die Vorsitzende im Vorstand des Fördervereins geworden ist.

In Hamburg versucht die Kulturbehörde der Stadt schon länger, die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu pflegen. Gemeinsam mit der Hamburger Kulturstiftung verleiht die Handelskammer Hamburg jährlich den Kultur-Merkur an ein Unternehmen, das sich in der Kulturförderung engagiert hat. 1998 ermittelte eine Umfrage der Handelskammer ein Jahresvolumen von 35 Millionen Mark, das von Unternehmen in Kultur und Projekte des Denkmalschutzes investiert wird. Vergleichbare Zahlen liegen in Berlin nicht vor.

Der letzte große Coup in der Stadt der hanseatischen Mäzene war der Neubau eines Flügels für das Museum für Kunst und Gewerbe: Nachdem ein Sammler dem Museum seine Sammlung historischer Tasteninstrumente geschenkt hatte, entschloss sich dessen Freund, ein Hamburger Großunternehmer, zur Finanzierung des Erweiterungsbaus. Dort wird nun auf einer Etage über den alten Instrumenten Design der Gegenwart vorgestellt mit iMac-Computern und neu entwickelten BMW-Maschinen. Ein kleiner Schauraum gibt Ateliers und Designern Gelegenheit zur Selbstdarstellung.

In Berlin hat man zwar schon Erfahrung mit Sammlern, die ihre Schätze langfristig zur Verfügung stellen und im Gegenzug Ausstellungen und wissenschaftliche Pflege erwarten – etwa die Sammlung Marx im Hamburger Bahnhof. Als Bauherren kennt man Mäzene oder Sponsoren hier noch nicht. Dennoch wächst mit den Plänen der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Kultur die Gefahr, dass damit von der öffentlichen Hand in ihrer Grundausstattung finanzierte Institutionen zu Werbeinstrumenten privater Unternehmer werden. Doch der Direktor der Berlinischen Galerie ist sich sicher, den Sponsoren werbewirksame Gegenleistungen anbieten zu können, ohne dass die Inhalte des Museums berührt werden. In den Hallen selbst muss außer den Namen der Spender nicht viel von den Unternehmen zu sehen sein. Aber Merkert will ihnen anbieten, in der Internetpräsentation des Museum aufzutreten, Links zu ihren eigenen Webseiten öffnen und außerhalb des Museums Vorträge, Stadtführungen für Mitarbeiter und Gäste oder ein kulturelles Programm für Jahrestagungen zu organisieren.

Schon jetzt pflegt die Berlinische Galerie ihre Kontakte zu Banken intensiver als andere Museen, notgedrungen. Denn seit sie keine eigenen Räume mehr hat, nutzte sie die Dresdner Bank für die Retrospektive auf einen Architekten, stellt demnächst mit der Commerzbank eine Schwitters-CD vor und arbeitet mit der DG-Bank eng im Bereich Fotografie zusammen.

Zwei potenzielle Geldgeber allerdings sind schon wieder abgesprungen. Die eine Firma ist verkauft worden, und der neue Vorstand hat andere Pläne, das zweite Unternehmen schiebt inzwischen einen Schuldenberg vor sich her. Weil die Berliner Wirtschaft nicht gerade von prosperierenden Firmen wimmelt, scheint die Strategie der Kulturfinanzierung über Private nicht auf sicheren Füßen zu stehen.

Den Vortrag „Katakomben und Millionen“ hält Jörn Merkert heute um 19 Uhr in der HdK, Hardenbergstr.33