grüne setzen akzente
: Inszenierte Führung

Das Duo funktioniert. Renate Künast und Fritz Kuhn, die beiden neuen Parteivorsitzenden der Bündnisgrünen, dürfen sich in dieser Woche besonders freuen. Unabhängig davon, wie der Streit um die Rentenreform und die Kostenbelastungen des grünen Gesundheitsressorts ausgehen wird: Die beiden Matadore sind schon jetzt die Gewinner einer geschickten Inszenierung.

Kommentarvon SEVERIN WEILAND

Die Selbstinszenierung ist gleich doppelt gelungen: Zum einen sind ihre Namen in und außerhalb der Partei präsent. Zum anderen haben sie den Grünen seit Ende des Sommers gleich auf drei Feldern wieder öffentliche Aufmerksamkeit verschafft: Künast bei Rechtsextremismus und Einwanderung, Kuhn bei der für die jüngere Generation so wichtigen Rentenreform. Zugleich ist man der bedrängten Ministerin Andrea Fischer beigesprungen; sie wird zwar einen Teil der Kosten für die Invalidenrente übernehmen müssen – aber eben nur einen Teil.

Das Kunststück, das Künast und Kuhn vollbracht haben, ist bemerkenswert. Vor einigen Monaten war die Partei mit Antje Radcke und Gunda Röstel ein Torso, ein Anhängsel der mächtigen Männer in Fraktion und Regierung. Nun tritt sie als selbstständiges Element wieder in Erscheinung. Der Applaus, der Künast am Wochenende auf dem bayerischen Parteitag entgegenbrandete, zeigt, wie sehr die Basis die neue Führung angenommen hat. Lange haben sich die Grünen – meist unausgesprochen – nach Führung gesehnt. Jetzt wird diese Sehnsucht endlich erfüllt. Der Trick: Künast und Kuhn führen, ohne den Anspruch selbst zu formulieren. So bleibt grünes Selbstverständnis gewahrt.

Und die SPD? Sie nimmt den aufgezwungenen Konflikt äußerlich gelassen hin. Als wüsste man, dass sich kleinere Partner von Zeit zu Zeit absetzen und profilieren müssen. Anders als in den ersten Monaten der Koalition erträgt man den Streit, ohne sich gegenseitig zu demütigen. Die Grenzen des Spiels sind klar und werden respektiert. Deshalb auch die lauten Bekundungen des gestrigen Tages, auf jeden Fall zu einem Kompromiss zu kommen.

Am Ende dieser Woche wird es nur noch Sieger geben. Und einen Verlierer: die grüne Fraktion. Ihre Sprecher Kerstin Müller und Rezzo Schlauch blieben im Streit sehr auffällig im Hintergrund. Allenfalls gaben sie den Begleitchor zu den Stichworten ab, die Künast und Kuhn formulierten. Auch das hat es schon lange nicht mehr bei den Grünen gegeben.